Mehr Verbindungen, WLAN, Ökostrom: So geht Flixtrain in die Offensive
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Das Unternehmen steigt auch ins Segment der Nachtzüge ein, die gerade eine Renaissance erleben.
© Quelle: Marius Becker/dpa
Frankfurt am Main. „Wir wollen ein klares Zeichen setzen: Zugfahren muss für alle möglich sein. Menschen haben eine Wahl, welchen Zug sie nehmen wollen“, sagte André Schwämmlein, Chef und Mitgründer der Firma Flex-Mobility, die nicht nur Züge fahren lässt, sondern auch Fernbusverbindungen offeriert. Schwämmlein will sein Credo vor allem auf einer der wichtigsten deutschen Eisenbahn-Rennstrecken umsetzen – und das schon sehr bald: auf der Verbindung Hamburg-Berlin-Leipzig. Bis zu achtmal täglich sollen vom 27. Mai an die Flixtrains auf der Strecke verkehren.
Das Unternehmen steigt auch ins Segment der Nachtzüge ein, die gerade eine Renaissance erleben. Von Mitte Juni an geht es zweimal täglich in Längsrichtung durch Deutschland von Hamburg über Berlin nach München. Die bayerische Landeshauptstadt ist neu im Angebot. Mit ihr seien nun alle Regionen Deutschlands ins Zugnetz von Flixtrain eingebunden, so Schwämmlein.
40 Städte in Deutschland im Netz
Schon zu Pfingsten wird der Rivale der Deutschen Bahn (DB) zwischen Berlin und Köln und zwischen Hamburg und Köln verkehren. Das Netzwerk wird um 16 zusätzliche Haltestellen ergänzt, damit steuert das Unternehmen dann insgesamt rund 40 Städte in Deutschland an.
„Wir müssen so viele Menschen wie möglich von nachhaltigen Verkehrsmitteln überzeugen. Dafür ist ein gesunder Wettbewerb entscheidend: Attraktive Angebote entstehen nur, wenn mehrere Anbieter um Fahrgäste werben und sich selbst immer weiter verbessern“, sagte Schwämmlein dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Sitzplatzgarantie, WLAN, Ökostrom
Der Herausforderer will im Konkurrenzkampf mit dem übermächtigen Staatskonzern durch besondere Serviceleistungen punkten: So werde jedem Fahrgast kostenlos ein Sitzplatz garantiert, was die DB nicht gewährleisten will. WLAN, Steckdosen am Platz und ein Entertainmentangebot sollen dabei helfen, dass die Zeit im Zug fast wie im Fluge vergehe. Es handele sich zudem um „frisch modernisierte Züge“ inklusive der Toiletten an Bord.
Und das private Unternehmen will Umwelt- und Klimaschützer auf seine Seite ziehen – die Loks würden mit 100 Prozent Ökostrom betrieben, heißt es. Schwämmlein verspricht schnelle Reisezeiten, die sich in etwa auf dem Niveau vom Intercity Express (ICE) des „Mitbewerbers“ bewegten. Wobei Flixtrain nur die (Internet-)Plattform ist, die Angebot und Nachfrage zusammenbringt. Die Züge selbst werden von verschiedenen privaten Bahnunternehmen gefahren. Ähnlich agiert das Unternehmen bei Fernbussen, wo mit diversen Busunternehmen kooperiert wird.
Große Hürden bei der Personenbeförderung
Flixtrain ist seit 2018 aktiv und hierzulande immer noch ein großer Exot in der Verkehrsbranche. Die Hürden für Alternativangebote zur DB bei der Personenbeförderung im Fernverkehr sind sehr hoch. Zur Dominanz des Staatskonzerns beim Angebot kommen viele technische Hindernisse, die es extrem schwer machen, Züge alternativer Anbieter über ICE-Strecken fahren zu lassen. Immer wieder sind Experten davon ausgegangen, dass Konkurrenz vor allem von staatlich kontrollierten ausländischen Eisenbahngesellschaften kommen könnte.
So läuft der Konkurrenzkampf in Europa
Insbesondere von der französischen SNCF wurden Vorstöße erwartet, zumal die Hochgeschwindigkeitszüge TGV ohnehin schon einige hiesige Bahnhöfe ansteuern. Doch die Franzosen haben sich stattdessen inzwischen entschlossen, in Spanien zu attackieren – mit der Billigmarke Ouigo. Der Start mit renovierten TGV-Zügen soll demnächst erfolgen.
Die SNCF verfolgt in Spanien ein Konzept, das an Billigflieger erinnert. Immer wieder ist von Experten zu hören, dass hierzulande auch die Genehmigungsverfahren für Neueinsteiger kompliziert und langwierig sind und dass es auch an Transparenz bei den Trassenpreisen hapert – dabei handelt es sich um eine Art Schienenmaut, die für die Benutzung der Gleise erhoben wird.
Flixtrain könnte von EU-Plänen profitieren
Wobei neue Hoffnungen für die DB-Konkurrenten bestehen. Medienberichten zufolge will die EU-Kommission bei den Trassenpreisen deutliche Absenkungen durchsetzen, von denen dann auch Flixtrain und andere profitieren könnten. Hintergrund ist die von der Bundesregierung geplante milliardenschwere Kapitalerhöhung für die Deutsche Bahn mit Steuergeld. Damit sollen die massiven finanziellen Engpässe gemildert werden, die sich durch die Pandemie noch einmal verschärft haben.
Solche Zuwendungen können die Dominanz des Staatskonzerns noch stärker zementieren. Mit einer niedrigeren Schienenmaut soll dem aber entgegengewirkt werden. Wobei dies auch für den Güterverkehr geplant ist – dort ist der Wettbewerb schon erheblich stärker als beim Personenverkehr ausgeprägt. Die endgültigen Entscheidungen stehen noch aus.
Unabhängige Netzgesellschaft in der Diskussion
Klar ist aber, dass es bei der Bahn enormen Reformbedarf gibt, der aber erst in der neuen Legislaturperiode angegangen wird. Auch die Monopolkommission, die die Bundesregierung berät, hat mehrfach gefordert, für mehr Transparenz bei den Trassenpreisen zu sorgen – bislang sind die Infrastrukturtöchter der DB mit der Muttergesellschaft sehr eng verflochten.
Die Grünen und unter anderem der Steuerzahlerbund haben gefordert, dass Netz und Fahrbetrieb klar getrennt werden. In diesem Zusammenhang ist eine neue unabhängige Netzgesellschaft in der Diskussion, die Kapazitäten für den Fahrbetrieb fair verteilt und als wichtigstes Ziel verfolgt, möglichst viel Verkehr auf die Schiene zu bringen. Immerhin hat sich die Bundesregierung vorgenommen, zum Erreichen der Klimaschutzvorgaben den Verkehr auf der Schiene bis 2030 zu verdoppeln.