Fachleute sprechen von beängstigenden Preisen
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Heiß begehrt: Neubauwohnungen. Aber nicht nur die Preise für Immobilen sind hoch, auch die Zinsen für die Finanzierung steigen.
© Quelle: Florian Schuh/dpa/dpa-tmn
Frankfurt. Kippt der Immobilienmarkt? Platzt die Blase? Von Harald Simons jedenfalls kommt eine eindringliche Warnung: „Die nochmaligen Anstiege und das enorme Niveau der Kaufpreise sind sowohl überraschend als auch durchaus beängstigend“, schreibt der Professor für Mikroökonomie. Er gehört zu den fünf Immobilienweisen, die am Dienstag ihr Frühjahrsgutachten vorgelegt haben – im Auftrag des Branchendachverbandes ZIA.
Die Zahlen in der Studie sprechen eine eindeutige Sprache: Die Mietpreise sind 2021 im Vergleich zum Vorjahr noch einmal stärker gestiegen, nämlich durchschnittlich um 3,7 Prozent. Auffallend hoch waren dabei die Aufschläge in den westdeutschen Landkreisen. Zugleich wurde auch in den sieben größten Städten (Berlin, Hamburg, München, Köln, Düsseldorf, Frankfurt und Stuttgart) das Wohnen trotz eines bereits avancierten Niveaus noch einmal teurer, allerdings nur noch um 2,7 Prozent im Mittel.
Suburbanisierung schlägt durch
Noch viel heftiger legten die Preise für Eigentumswohnungen zu. Der Quadratmeter kostete im vorigen Jahr rund 3100 Euro, das war ein Plus von mehr als 14 Prozent im Vergleich zu 2020. Hier schießen kreisfreie Städte im Osten der Republik den Vogel ab. Mit einer Verteuerung um fast ein Fünftel.
Aber auch in den dortigen Landkreisen ging es im fast gleichen Maß (rund 17 Prozent) nach oben. Simons spricht von einer „Suburbanisierung“, die aber keine Folge der Pandemie, sondern eines schon „um das Jahr 2015 erfolgten Trendbruchs“ sei.
Der Wegzug aus den sieben sogenannten A-Städten sei lange durch eine hohe Zuwanderung überdeckt worden. Doch inzwischen schrumpfen die großen Städte. Insbesondere Familien finden in den Metropolen nicht mehr ausreichend große und zugleich bezahlbare Wohnungen und ziehen deshalb aufs Land, weil dort das Preisniveau noch immer niedriger ist – allerdings nähern sich kleinere Kommunen den Großstädten immer weiter an.
Was der Immobilienbranche bei der Preisentwicklung immer größere Sorgen bereitet, sind die unterschiedlich hohen Steigerungen. Wenn das Kaufen deutlich mehr zulegt als das Mieten, dann sinken für Wohnungsbauunternehmen die Renditen. Was im vorigen Jahr der Fall war. Das kann aber auch Politikerinnen und Politikern nicht gleichgültig sein: Denn mit schrumpfenden Gewinnmargen schwindet auch das Interesse von Investoren, Geld in Immobilien zu stecken. Das kann die Bekämpfung des Wohnungsmangels bremsen.
Aber immerhin wurden nach Simons‘ Schätzungen 2021 etwa 315.000 neue Wohneinheiten fertiggestellt. Seit Beginn des Immobooms im Jahr 2009 hat sich damit die Zahl der Neubauten sogar fast verdoppelt. Das geht fast ausschließlich auf die Rechnung des Geschosswohnungsbaus. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern stagniert es schon sehr lange bei jährlich 100.000 neuen Heimen.
Die Bundesregierung hat sich aber 400.000 neue Wohnungen per annum vorgenommen. Nach Simons‘ Einschätzung ist das kurzfristig nicht zu schaffen. Wegen der langen Bauzeiten könnten sich diese Anstrengungen erst in der Legislaturperiode nach 2025 auszahlen.
Andreas Matter, ZIA-Präsident, betont, das Ziel der Regierung sei auch wegen des überraschenden Stopps eines Förderprogramms in weite Ferne gerückt. Das Wirtschaftsministerium hatte kürzlich ein KfW-Programm für energieeffiziente Wohnhäuser ohne Vorwarnung gestoppt, weil sich der Budgettopf dafür überraschend schnell geleert hatte.
Die Angst vor Kreditausfällen grassiert
Zurück zur Gefahr des Platzens einer Immobilienblase: Warnende gibt es viele. Auch die Expertinnen und Experten der Bundesbank befürchten überhöhte Preise. Ebenso der EU-Ausschuss für Systemrisiken. Er hat kürzlich der Bundesregierung ganz offiziell Bedenken übermittelt. Weil hierzulande die Höhen von Hypokrediten im Missverhältnis zum Immobilienwert stünden.
Das könnte dazu führen, dass Banken bei Kreditausfällen auch durch Zwangsversteigerungen das verliehene Geld nicht mehr eintreiben könnten, was die Geldhäuser wiederum in Schieflage bringen könnte. Hinter der Warnung steckt die Furcht vor einer Wiederholung der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009, die durch geplatzte Immokredite in den USA ausgelöst wurde.
Die Finanzaufsicht Bafin jedenfalls hat kürzlich den Banken schon vorgeschrieben, mehr Kapital zur Seite zu legen, um gegen Kreditausfälle besser gewappnet zu sein. Dies und die Ankündigung einer strammeren Geldpolitik durch die EZB haben das Zinsniveau für Bauherren und Käuferinnen von Eigentumswohnungen nach Berechnungen des Immobilienfinanziers Interhyp bereits in die Höhe getrieben: Vor einem Jahr noch musste für ein Darlehen mit zehn Jahren Laufzeit nur 0,75 Prozent im Schnitt gezahlt werden. Inzwischen sind es knapp 1,4 Prozent.
Expertinnen und Experten erwarten weitere spürbare Erhöhungen. Das alles hört sich nach wenig an. Aber ein Aufschlag von 0,5 Prozentpunkten bedeutet bei einem Durchschnittskredit (350.000 Euro, 2 Prozent Tilgung) eine zusätzliche monatliche Belastung von etwa 150 Euro. Insider gehen derweil davon aus, dass die höheren Zinsen die Preissteigerungen für Immobilien bremsen werden – beides war in der Vergangenheit eng miteinander verknüpft.