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Phänomen Geisterkonten: Deutschlands verschollene Milliarden

Geldscheine liegen in einem Sparbuch (Illustration, Archivbild).

Geldscheine liegen in einem Sparbuch (Illustration, Archivbild).

Die Höhe der Erbschaften in Deutschland steigt und steigt. Laut Statistischem Bundesamt wurden allein im vergangenen Jahr rund 50 Milliarden Euro vererbt – und in der Zahl sind nur jene Erbschaften enthalten, die hoch genug waren, um über die steuerlichen Freibeträge hinauszukommen. Bleibt eine Erbschaft darunter, bekommen die Finanzämter von dem Vorgang gar nichts mit.

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Oftmals sind es aber auch die Erbinnen und Erben, die von Erbschaften oder auch Teilen nichts mitbekommen – entweder, weil sie von der Existenz eines Verstorbenen gar nichts wissen, keinen Kontakt mehr zu der Person hatten oder, weil der Erblasser oder die Erblasserin seine beziehungsweise ihre finanziellen Verhältnisse zu Lebzeiten nicht geordnet hatte. Es gibt deshalb reihenweise Konten von Verstorbenen, von denen Erbinnen und Erben gar nichts wissen. Banken sprechen von „nachrichtenlosen Konten“, der Volksmund verwendet einen einprägsameren Begriff: „Geisterkonten“.

Milliarden auf Geisterkonten

Laut Bankenschätzungen liegen auf solchen Konten in Deutschland mindestens 2 Milliarden Euro. Es gibt auch Berechnungen, die von bis zu 9 Milliarden Euro ausgehen. Und niemand erhebt Anspruch auf diese Gelder.

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Für die Banken ist das kein Problem – im Gegenteil. Sie lassen das Geld einfach auf dem Konto und zahlen es erst aus, wenn sich eine Erbin oder ein Erbe meldet und mit Erbschein legitimieren kann. Passiert das nicht, darf die Bank das Vermögen eines nachrichtenlosen Kontos nach Ablauf von 30 Jahren als Gewinn verbuchen.

Die Frage liegt auf der Hand: Wie spürt man ein Geisterkonto auf?

Wer erbt und sich eigentlich sicher ist, dass der Verstorbene ein Konto bei einer Bank hatte, dazu aber keine Unterlagen findet, hat zwei Möglichkeiten. Die eine ist Eigeninitiative, die zweite ist Hilfe bei einem Profi.

Banken helfen bei der Kontonachforschung

Die erste Variante kann oftmals schon helfen. Jeder Erbe und jede Erbin hat die Möglichkeit, bei Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie bei privaten Banken eine Nachfrage zu starten. Hierfür benötigt beispielsweise die Sparkasse eine Kopie des Erbscheins oder des Testaments, die eigene Anschrift und den letzten Wohnort des Verstorbenen. Auch bei den Volks- und Raiffeisenbanken gibt es im Internet den Service der Kontonachforschung. Es werden die gleichen Daten wie von den Sparkassen benötigt. „In Betracht kommt etwa ein Erbschein, ein Testament nebst Eröffnungsniederschrift, ein Betreuerausweis oder ein Testamentsvollstreckerzeugnis“, heißt es auf der Homepage des Bundesverbands BVR dazu.

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Während bei den genannten Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken die Recherche seitens des Institutes mit einer Gebühr berechnet werden kann, ist das Nachforschungsverfahren der privaten Banken des Bundesverbands deutscher Banken kostenlos. Hier werden ebenfalls wieder eine Kopie des Erbscheins oder Testaments verlangt, um eine deutschlandweite zentrale Recherche einzuleiten. Findet sich ein Konto oder Depot, wird der Erbe direkt kontaktiert.

Die Suche im Ausland

Erstaunlich einfach hat hingegen die Schweiz und Luxemburg das Problem für Erbinnen und Erben geregelt, die meinen, dass ihre Verstorbenen bei den Eidgenossen ein vergessenes Konto haben. Die Schweiz hat hierfür seit 1996 eine zentrale Stelle, den sogenannten Bankenombudsmann. Hier kann eine Anfrage per Fragebogen und den üblichen Nachweisdaten gestellt werden. Im Gegensatz zu Deutschland liegt die Verwahrzeit der Schweizer Banken bei 60 Jahren. Erst nach dieser Zeit müssen Banken das Vermögen eines Geisterkontos an den eidgenössischen Staat abgeben. In Luxemburg wiederum gibt einem die Luxemburger Bankenvereinigung (ABBL) nähere Informationen zur Suche nach einem nachrichtenlosen Konto.

Etwas komplizierter ist es derweil in Österreich. Ein Erbe oder eine Erbin als Privatperson hat keine Möglichkeit, Recherchen zu einem Konto eines Verstorbenen über den österreichischen Bankenverband anzugehen. Hierfür ist im Alpenland eine gerichtliche Anfrage notwendig – erst dann geben die Bankinstitute direkt an das anfragende Gericht Auskunft.

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Bei komplizierten Fällen hilft ein Profi

Wem das alles zu viel Arbeit ist, der kann das Ganze auch in die Hände von Profis übergeben. Erbenermittler oder auch Privatdetektiv beziehungsweise Privatdetektivin können sich der Sache annehmen. Ein bisschen Zeit sollte jeder mitbringen, wenn es um die Recherche nach einem Geisterkonto durch einen Profi geht. „Mindestens ein halbes Jahr ist schon realistisch, was man an Wartezeit veranschlagen sollte“, sagt Martin Schütt von der Hamburger Wirtschafts- und Privatdetektei Schütt.

Bis alle Vollmachten zusammen sind und die Behörden, Banken und Versicherer reagieren – das brauche Zeit. Auch mehrere Jahre sind durchaus möglich, insbesondere, wenn die Spur ins Ausland führe, ergänzt Schütt. Das Ganze ist natürlich nicht umsonst. Da jeder Fall anders ist, sollten Kundinnen und Kunden beim ersten Gespräch die Kosten ansprechen. In der Regel wird ein Auftrag entweder über eine fest abgemachte Pauschale beglichen oder auf Prozentbasis und Erfolgshonorar bezahlt.

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