Schnellere Züge im Nordwesten: Diese Wunderline plant die Bahn
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Ein Güterzug mit Neuwagen passiert einen Bahnübergang an der zweigleisigen Bahnstrecke nahe Ihrhove. Die sogenannte "Wunderline" soll zukünftig Norddeutschland mit dem Norden der Niederlande über die Strecke von Bremen nach Groningen verbinden.
© Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Leer. Schnellere Zugverbindungen zwischen Groningen und Bremen - darauf hoffen viele Reisende auf beiden Seiten der Grenze im Nordwesten Niedersachsens und in den Niederlanden bereits seit Jahren. Doch die Zerstörung der Friesenbrücke bei Weener über die Ems nach einer Frachter-Kollision nahm vielen die Hoffnung dafür. Seit sechs Jahren fährt deswegen kein Zug mehr über die Grenzstrecke.
Während nun die Arbeiten an der neuen Friesenbrücke sichtbar anlaufen, soll auch das parallele Großprojekt der Bahn auf der Schiene Fahrt aufnehmen. Mit der sogenannte Wunderline, dem zweistufigen Ausbau der Bahnstrecke, soll sich die Fahrzeit zwischen Groningen und Bremen bis 2030 auf etwas über zwei Stunden deutlich verringern.
Ein Überblick, was die Bahn plant:
Als Wunderline wird der Ausbau und die Ertüchtigung der bestehenden, insgesamt 173 Kilometer langen Bahnstrecke zwischen Bremen und Groningen bezeichnet - der größte Teil liegt dabei auf deutscher Seite. „Wir möchten eine grenzübergreifende, komfortable Verbindung haben, möglichst ohne dabei umsteigen zu müssen“, sagte Stefan Wey, Teilprojektleiter Wunderline bei der DB Netz AG, kürzlich bei einer Info-Veranstaltung der Bahn im ostfriesischen Westoverledingen. Die Erwartung ist, dass durch den Ausbau Reisende mit der Bahn schneller einen Arbeitsplatz im jeweiligen Nachbarland erreichen. Auch Studierende und Ausflügler in der Region sollen von der Wunderline profitieren. „Ziel ist natürlich auch ein Kundenzuwachs“, sagte Wey.
Wegen der zerstörten Friesenbrücke gibt es zurzeit keine durchgehende Zugverbindung mehr zwischen Groningen und Bremen. Vor der Zerstörung betrug die Reisezeit 2:43 Stunden. Nach dem Ausbau eines ersten Strecken-Abschnitts zwischen Ihrhove (Landkreis Leer) bis zur niederländischen Grenze, samt der neuen Friesenbrücke, soll sich die Fahrtzeit auf 2:28 Stunden verringern. Auf dieser Strecke sollen die Züge dann ab Ende 2024 nahezu durchgängig mit bis zu 120 km/h unterwegs sein können. Geplant ist zudem, bis 2030 in einer zweiten Baustufe einen weiteren Abschnitt auszubauen und zu ertüchtigen. Danach soll eine Reise sogar nur noch 2:13 Stunden dauern.
Die Niederländer sind schon weiter
Für den ersten Abschnitt auf deutscher Seite will die Bahn die Planfeststellungsunterlagen bis zum Sommer beim Eisenbahnbundesamt einreichen. Mit den Arbeiten soll dann im Herbst 2023 begonnen werden. Für die zweite Baustufe laufen die Planungen noch.
Die Niederländer sind schon weiter. Dort sind viele Arbeiten bereits im Gang. Trotz Corona sei man 2021 in Sachen Realisierung der Wunderline „ein gutes Stück vorangekommen“, schrieb Tjeerd Postma, Wunderline-Projektleiter bei der Provinzregierung von Groningen in einem Newsletter im Dezember. Etwa sei auf der Strecke zwischen Scheemda und Winschoten das Beteiligungsverfahren für den zweigleisigen Ausbau der Strecke abgeschlossen worden. Die Gleisverdoppelung auf vier Kilometern Länge wird Teil der Wunderline.
„Ohne die Wunderline wird kein Zug über die Friesenbrücke fahren“, machte Wey deutlich. Beide Projekte seien komplex und eng miteinander verwoben, denn für beide sei eine Inbetriebnahme zum Fahrplanwechsel 2024/2025 vorgesehen. „Wir brauchen daher eine Punktlandung.“ An der Friesenbrücke läuft zurzeit der Abbruch der alten Brückenreste. Der Neubau für die Eisenbahn-Hub-Drehbrücke soll im April beginnen.
Die Bahn plant, die Strecke zwischen Ihrhove und der Grenze umfassend zu sanieren. Dazu zählen etwa die Ertüchtigung oder der Neubau von 17 Durchlässen und sieben Brücken. 27 Bahnübergänge werden den Planungen zufolge angepasst oder erneuert. Im Bahnhof in Ihrhove muss zudem ein Stellwerk erneuert werden. Zudem sollen dort neue Oberleitungen und neue Weichen installiert werden. „Die Konsequenz ist, dass wir dadurch später deutlich schneller fahren können“, sagte Wey. Auf einer Teilstrecke soll nach Baugrunduntersuchungen auch der Bahndamm verstärkt werden.
Eine Elektrifizierung sieht der Ausbau nicht vor
Die Investitionssumme für die Ertüchtigung der Bahnstrecke auf deutscher Seite steht noch nicht fest, wie die Bahn mitteilt. Aktuell liefen noch Berechnungen, auch da die zweite Baustufe noch in einer frühen Planungsphase sei. Einer Kooperationsvereinbarung zufolge, die Bremen, Niedersachsen und die Provinz Groningen im Februar 2019 im niederländischen Winschoten unterzeichneten, sollten nach damaligen Angaben 128 Millionen Euro in den Ausbau investiert werden. Bekannt ist bereits, dass die Friesenbrücke, als eigenes Projekt, mit bis zu 125 Millionen Euro deutlich teurer werden wird als zunächst geplant.
Auf dem ersten Abschnitt soll zwischen Leer und Winschoten jeweils ein Regionalzug pro Stunde in beide Richtungen verkehren. Noch sei unklar, welcher Anbieter die Verbindung betreibe, sagte Projektleiter Wey. „Dieser wird vom Land Niedersachsen und der Provinz Groningen bestimmt.“ Fernzüge, wie etwa ein Intercity, oder auch Güterverkehr sind derzeit auf der Strecke nicht vorgesehen. Grundsätzlich werde die Strecke aber für beides ausgelegt sein, sagte Wey.
Eine Elektrifizierung sieht der Ausbau übrigens nicht vor - auch wenn die neue Friesenbrücke bereits für eine mögliche Nachrüstung mit Oberleitungen geplant wird. Auch auf der niederländischen Seite fehlen Oberleitungen. Grundsätzlich denkbar, aber noch nicht vorgesehen, sei künftig auf der Strecke auch die Erprobung von Wasserstoffzügen oder Zügen mit Akkusystemen, sagte Wey.
RND/dpa