Verramschte DFB-Trikots, kaum Fahnen an den Autos: Die EM wird zum Ladenhüter

Deutschland-Fahnen wie hier am Auto sind bei der diesjährigen EM seltener zu sehen als sonst.

Deutschland-Fahnen wie hier am Auto sind bei der diesjährigen EM seltener zu sehen als sonst.

München. Matthias Fifka beobachtet das Fanverhalten rund um die Fußball-Europameisterschaft genau. „Man sieht nirgends Fähnchen an den Autos oder Menschen in Trikots“, sagt der auf Nachhaltigkeit und Wirtschaftsethik spezialisierte Betriebswirtschaftsprofessor der Universität Nürnberg-Erlangen. Das habe auch, aber nicht nur mit der Pandemie zu tun.

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Denn auch bei Sponsoren und großen Ausrüstern wie dem fränkischen Sportartikler Adidas bemerkt der Wissenschaftler, der sich viele Gedanken um Moral und Reputation macht, bei der aktuellen EM-Auflage eine augenfällige Zurückhaltung. Dass diese EM nicht wie frühere ist, bestätigt auch der Sportfachhandel, wo sonst das Trikot der deutschen Elf ein Verkaufsschlager ist.

„Ein Renner ist es diesmal bislang nicht“, bedauert Stefan Herzog als Präsident des Sportfachhandelsverbands VDS. Wenigstens habe Deutschland aber nun die Vorrunde überstanden. Das macht Hoffnung, dass die Verkäufe doch noch anziehen. Normalerweise sorgt eine EM im Handel beim wichtigen Segment Teamsport für ein Fünftel mehr Umsatz, weiß Herzog.

Was diesmal unter dem Strich noch herauskommt, mag der Verbandschef aber nicht abschätzen. Zu reduziert sei derzeit alles rund um die Fußball-EM. „Der Teamsport hat die letzten eineinhalb Jahre coronabedingt im Dornröschenschlaf gelegen“, beschreibt Herzog die Ausgangslage. Zudem findet auch er, dass Sponsoren und Ausrüster die Bühne EM diesmal mit gebremstem Schaum nutzen.

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Topausrüster Adidas, der neben der deutschen Elf sieben weitere Mannschaften mit Trikots versorgt und den Spielball namens Uniforia stellt, versucht ein anderes Bild zu vermitteln. Das DFB-Leibchen erfreue sich wachsender Nachfrage, heißt es in Herzogenaurach, wo die deutsche Mannschaft auf dem Adidas-Firmengelände Quartier bezogen hat. Zahlen wie bei früheren Veranstaltungen werden aber nicht genannt.

Deutschland-Trikot zum Schnäppchenpreis

Bei der Vorgänger-EM 2016 ging das DFB-Trikot eine Million Mal über den Tresen, bei der WM 2014 in Brasilien sogar drei Millionen Mal. 104 Euro verlangt Adidas aktuell im eigenen Onlineshop für das Dress und hat den Anfangspreis dabei um ein Fünftel reduziert. Bei anderen Onlinehändlern ist es schon für gut 40 Euro erhältlich. Für betonte Beliebtheit spricht das nicht.

Auch eine Summe für das aktuelle EM-Marketingbudget verschweigt Adidas und verweist auf Kurzfilme über deutsche Fußballer wie Serge Gnabry, Ilkay Gündogan oder den Franzosen Paul Pogba, mit denen man das Internet bespiele. 50 bis 70 Millionen Euro zusätzlichen Umsatz werde die EM bringen, hatte Adidas-Chef Kaper Rorsted vor Turnierbeginn geschätzt und diese Zahl inklusive der Olympischen Spiele kommenden Monat in Tokio verstanden. Bei einem für 2021 geplanten Jahresumsatz von 22 Milliarden Euro ist das ein überschaubarer Effekt für beide Großveranstaltungen.

Wirtschaftsethiker Fifka hat eine Erklärung, warum das so ist, und die hat nicht nur mit Corona zu tun. „Die Uefa bewegt sich wie ein Elefant im Porzellanladen“, sagt er über den europäischen Fußballverband. Das gehe vom Bestreben trotz Pandemie und gefährlicher Mutation in Großbritannien dort vor 60.000 Zuschauern spielen zu lassen über die Fortsetzung des Spiels zwischen Dänemark und Finnland, wo der Däne Christian Eriksen auf dem Spielfeld wiederbelebt werden musste, bis zum Verbot von Regenbogenbeleuchtung der Münchner Spielstätte, um auf die Menschenrechte der LGBTIQ-Gemeinde aufmerksam zu machen.

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Uefa liefert Negativschlagzeilen in Serie

Sponsoring habe sich geändert und gehe heute weit über Bandenwerbung oder Aufdrucken auf Trikots hinaus, betont der Wissenschaftler, der auch im Aufsichtsrat des deutschen Zweitligisten FC Nürnberg sitzt. „Sponsoren wollen mit positiven Geschichten in Verbindung gebracht werden“, erklärt er.

Die Uefa liefere aber negative Geschichten in Serie. Das drohe sich bei den Olympischen Spielen in Tokio fortzusetzen, wo große Corona-Ausbrüche riskiert werden. Danach folge mit der Fußball-WM in Katar 2022 die nächste zwiespältige Großveranstaltung, die von Berichten über Arbeitssklaven und andere Missstände belastet ist.

„Es ist ein Reputationsrisiko geworden“, sagt Fifka über EM, Olympia und WM. Er vermerkt auch eine Entfremdung der Fans vor allem vom Fußball, die nicht nur vorübergehend sei. Das alles lasse zumindest westliche Sponsoren zunehmend mit Zurückhaltung agieren, wie ein Blick auf die aktuelle EM zeige.

Dort träten mit Vivo, Alipay, Hisense oder Gazprom verstärkt Sponsoren aus totalitären Regimen wie China und Russland in Erscheinung. Nur so könne die Uefa noch den Ausfall westlicher Sponsoren kompensieren. Das drohe sich so fortzusetzen, falls die großen Sportverbände nicht umdenken. In Sicht ist das nicht.

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