Die Kriegsangst füllt bei Rheinmetall die Auftragsbücher
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Rheinmetall liefert Ausrüstung vom Transportpanzer bis zur persönlichen Schutzausstattung.
© Quelle: imago/Eckehard Schulz
Hannover. Der Krieg gegen die Ukraine hat für die europäische Rüstungsindustrie alles verändert. Der deutsche Branchenführer Rheinmetall rechnet schon jetzt mit rund einer Milliarde Euro zusätzlichem Umsatz in diesem Jahr, und auch die Gewinnmarge wird steigen. Die Belegschaft will Vorstandschef Armin Papperger um bis zu 3000 Stellen aufstocken. Dabei war schon „2021 ein Rekordjahr mit sehr hoher Rendite“ und „tollen Ergebnissen“, wie Papperger bei der Bilanzvorlage in Düsseldorf sagte.
Seit Russland Ende Februar die Ukraine überfallen hat, glühen die Drähte zwischen Regierungen und Rüstungsfirmen. Das Bundesverteidigungsministerium hatte die Branchengrößen schon kurz darauf eingeladen, um deren Lieferfähigkeit abzufragen. Fast alle europäischen Staaten wollen ihre Wehretats aufstocken, in Deutschland stehen 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr bereit.
Papperger listete daraufhin Konzernwaren im Wert von 42 Milliarden Euro auf und kam schnell in den Verdacht einer großen Verkaufsaktion. Er habe nur das Potenzial über Jahre aufgezeigt, sagte Papperger nun. „Man kann, was 25 Jahre lang vernachlässigt wurde, nicht in einem Jahr aufholen.“
Rheinmetall liefert unter anderem Fahrzeuge vom Panzer bis zum Lkw, Flugabwehrgeschütze und Feuerleitsysteme, Munition und Schutzausrüstung. Außerdem gibt es eine Sparte für Autozulieferung, die in den vergangenen Jahren aber zusehends an den Rand gerückt ist. Außerdem wurde zuletzt stark in Wasserstofftechnologie investiert, die in beiden Bereichen einzusetzen ist.
Lieferungen auch an Ukraine
Vorerst gehört allerdings alle Aufmerksamkeit der Rüstungstechnik. Es gebe „erhebliche Anfragen“ aus vielen Ländern, „mittlerweile auch aus Deutschland“, sagte Papperger. „In ganz Europa wird es einen Schub geben.“ Unterschrieben sind offenbar Lieferverträge für die Ukraine, zu deren Inhalt sich Papperger nicht äußern wollte. Sie lägen zur Genehmigung beim geheim tagenden Bundessicherheitsrat.
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Vorstandschef Armin Papperger (li.) und Finanzvorstand Helmut P. Merch.
© Quelle: IMAGO/sepp spiegl
Aber auch an die Bundeswehr will der Konzern noch in diesem Jahr liefern, die entsprechenden Verträge seien aber noch nicht unterschrieben. Viel Technik, die nun dringend nachgefragt werde, „haben wir seit Jahren angeboten“, sagte der Rheinmetall-Chef. Munition steht nach seinen Worten ganz oben auf der Bedarfsliste. „Der Bestand der Bundeswehr ist sehr gering“, sagte Papperger, er reiche im Ernstfall, „wenn es hochkommt, für wenige Wochen“.
Die möglichen Lieferungen für die nächsten Jahre, die Papperger der Bundeswehr anbietet, sind umfangreich. Sein Unternehmen könne innerhalb der nächsten sechs bis zwölf Monate Munition für bis zu 12 Milliarden Euro anbieten, die dann über mehrere Jahre geliefert würde. Auch Soldatensysteme im Wert von mehr als einer Milliarde seien lieferbar.
Insgesamt 30.000 Lkw verschiedener Art könne man innerhalb von gut einem Jahr anbieten. Rheinmetall hatte vor Jahren die Militärsparte von MAN übernommen, weil der VW-Konzern das Geschäft loswerden wollte. Zwölf bis 18 Monate veranschlagt Papperger für bis zu 1000 Einheiten des Panzerfahrzeugs Boxer und zwei Jahre für die zweite Charge des Schützenpanzers Puma.
Kapazitäten stehen bereit
Das Programm wäre ambitioniert, aber machbar, denn die Kapazitäten sind in den vergangenen Jahren nicht geschrumpft wie die Verteidigungsetats. Ältere Werke stünden „in der Größenordnung vom kalten Krieg“ bereit, sagte Papperger. So habe der Standort im niedersächsischen Unterlüß zuletzt 20.000 bis 50.000 Schuss Panzermunition pro Jahr hergestellt, sei aber einmal für 240.000 Schuss ausgelegt worden.
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Ein Schützenpanzer vom Typ Puma der Bundeswehr fährt während einer Vorführung über den Übungsplatz. Rheinmetall stellt den Panzer gemeinsam mit Krauss-Maffei Wegmann (KMW) her.
© Quelle: Philipp Schulze/dpa
Neue Fabriken würden deshalb nicht gebraucht, wohl aber Mitarbeiter. 1500 bis 3000 Menschen will Rheinmetall in den nächsten Monaten einstellen. Aktuell hat der Konzern 24.000 Beschäftigte, davon die Hälfte in Deutschland.
Waffen und Munition sind die weitaus ertragsstärkste Sparte des Konzerns. Ihr Umsatz wuchs im vergangenen Jahr zwar nur um 3 Prozent auf 1,23 Milliarden Euro, der operative Gewinn aber um 18 Prozent auf 218 Millionen Euro. Insgesamt hat der Konzern seinen Umsatz im vergangenen Jahr um knapp 5 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro gesteigert. Der Auftragsbestand ist mit 24,5 Milliarden Euro so hoch wie nie.
Kurs der Aktie steigt weiter
Der operative Gewinn stieg um 10 Prozent auf 594 Millionen Euro. Die Dividende soll von 2 auf 3,30 Euro pro Aktie klettern. Bisher war für dieses Jahr ein Umsatzwachstum von 8 bis 10 Prozent geplant, jetzt sollen es 15 bis 20 Prozent werden. Die Gewinnmarge werde über den bisher angepeilten 10 bis 11 Prozent liegen.
An der Börse ist Pappergers Botschaft längst angekommen. Nachdem Anleger die Rüstungsaktie lange gemieden hatten, greifen sie seit drei Wochen zu. Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz am 20. Februar 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Ausrüstung der Bundeswehr angekündigt hatte, schoss der Kurs der Rheinmetall-Aktie von 94 Euro auf mehr als 160 Euro. Nach der Bilanzvorlage stieg er um rund 5 Prozent auf 164 Euro.