Warum Autofahrer trotz steigender Ölpreise auf günstige Spritpreise hoffen dürfen
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Obwohl der Ölpreis steigt, dürfen Autofahrer auf einen günstigen Spritpreis hoffen.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa
Frankfurt am Main. Der Ölpreis für die maßgebliche Sorte Brent ist am Freitag deutlich gestiegen. Bis zum Nachmittag um mehr als einen Dollar pro Fass (159 Liter) auf rund 76 Dollar. Die Experten waren sich einig, dass die Einigung im Streit um den US-Haushalt der maßgebliche Faktor dafür war. Doch vieles deutet darauf hin, dass damit keine neue Preisrallye beim weltweit wichtigsten Rohstoff eingeläutet wird.
Beim Treffen des Förderkartells Opec+ am Sonntag wird keine Senkung der Fördermengen beschlossen – auch da herrscht unter Fachleuten ein weitgehender Konsens. Für die Autofahrenden könnte das bedeuten, dass sie bei den anstehenden Urlaubsfahrten mit günstigen Spritpreisen kalkulieren können.
Allerdings: Die Opec+ hat in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass sie für Überraschungen gut ist. Zuletzt im April als beschlossen wurde, die Pumpen zu drosseln, um 1,16 Millionen Fass pro Tag weniger zu fördern. Das summiert sich mit den im Oktober beschlossenen Kürzungen auf 3,66 Millionen Fass, was fast 5 Prozent des weltweiten Verbrauchs entspricht.
Opec+ hofft auf automatischen Preisdruck
Gründe für eine Absenkung der Quoten gäbe es. Vor einem Jahr waren die 159 Liter noch für 117 Dollar zu haben. Danach sind die Preise erodiert. Dreimal sind sie in jüngster Zeit auf die Marke von 72 Dollar abgerutscht: Mitte März sowie Anfang und Ende Mai. Mit den 76 Dollar sind nach Ansicht von Rohstoffanalysten viele Opec-Regierungen unzufrieden. Nach Einschätzung der Experten der HSBC-Bank werden mittelfristig mindestens 80 Dollar angestrebt. Ähnlich sieht es die US-Investmentbank Goldman Sachs. Und der saudische Ölminister Abdulaziz bin Salman rief der Anlegergemeinde vor einigen Tagen zu: „Watch out.“ Sie sollen also aufpassen, was als Andeutung für Angebotskürzungen verstanden werden kann.
Eine nicht näher genannte Quelle aus Opec-Kreisen sagte aber der Nachrichtenagentur Reuters: Bislang seien keine Änderungen geplant, das könne sich aber kurzfristig je nach Stimmung beim Treffen ändern. Die Quoten orientieren sich an den historischen Fördermengen und den jeweiligen Produktionskapazitäten. Hinzu kommt, dass es bei den Verhandlungen häufig wie auf dem Pferdemarkt zugehe, heißt es.
Ein Einfrieren der aktuellen Vorgaben könnte ein Kompromiss sein. Denn auf der einen Seite dringen Mitglieder wie die Vereinigten Arabischen Emirate darauf, mehr zu pumpen. Deren Quote liegt weit unter dem, was möglich ist. Andere Länder wie Nigeria und Angola, können gar nicht so viel aus dem Erdreich befördern, wie sie dürfen. Das Stillhalten ließe sich damit begründen, dass man im Zuge einer konjunkturellen Erholung auf eine steigende Nachfrage setzt, die dann die Ölpreis quasi automatisch in die Höhe treibt.
Und dann ist da noch Russland: Laut Internationaler Energieagentur wurde im März mit 8,3 Millionen Fass so viel gefördert wie seit Beginn des Ukraine-Krieges nicht mehr. Und Putin würde gerne – allen westlichen Sanktionen zum Trotz – noch mehr verkaufen, um seinen Krieg zu finanzieren, zumal das russische Öl nur mit deutlichen Abschlägen zum Weltmarktpreis losgeschlagen werden kann. Hauptabnehmer sind China und Indien. Allein in den Subkontinent gehen laut BBC täglich rund 2,2 Millionen Fass, das ist zehnmal mehr als vor dem Ukraine-Krieg. Was Indien mit all den Rohöl macht? Verarbeiten und weiterverkaufen.
China als Bremser bei den Ölpreisen
So hat denn auch der EU-Außenbeauftrage Josep Borrell die indische Regierung gewarnt. Es könne nicht sein, dass Indien russisches Rohöl kaufe und die daraus gewonnenen Produkte in andere Länder exportiere. Borrell deutete an, dass die EU-Kommission die Käufer im Auge behalten müsse. Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar reagierte pikiert und erinnerte Borrell an die eigenen Vorschriften, denen zufolge russisches Rohöl, das in Indien verarbeitet werde, nicht mehr als ein russisches Produkt gelte. Er wollte damit sagen, dass es völlig legal ist, indische Mineralölprodukte, die mit Rohstoff aus Sibirien erzeugt werden, in die EU zu exportieren. Zu den Hauptabnehmern sollen Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande gehören.
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Russisches Rohöl würde also auch zu den niedrigen Spritpreisen hierzulande beitragen. Die lagen laut Onlineplattform Clever Tanken am Freitag im Bundesdurchschnitt bei 1,55 Euro für einen Liter Diesel und bei 1,78 Euro für Superbenzin. Heizöl kostete nach Angaben des Interdienstes Tecson rund 90 Cent pro Liter. Das sind Preise auf dem Niveau vom Herbst 2021. Der Hüpfer beim Rohöl am Freitag dürfte sich an den Preistafeln der Tankstellen in den nächsten Tagen bemerkbar machen. Doch viele Analysten erwarten, dass die Notierungen wieder erodieren.
Ähnlich sieht es Clever-Tanken-Chef Steffen Bock: Zwar könne es weiter nach oben gehen, falls wider Erwarten beim Opec-Treffen weitere Förderkürzungen verkündet werden. „Gegen allzu starke Preisanstiege sprechen hingegen die Konjunkturdaten aus China.“ Unter anderem hatte die Regierung in Peking diese Woche mitgeteilt, dass die Industrieproduktion im Mai auf das niedrigste Niveau seit fünf Monaten abgesunken ist. China ist der weltgrößte Ölimporteur.