Ukrainischer Zulieferer arbeitet wieder: MAN fährt Lkw-Produktion hoch – ein wenig
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Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, besucht das Werk der MAN Truck & Bus, um sich über die Lkw-Produktion zu informieren.
© Quelle: Peter Kneffel/dpa
München. Wie groß das Aufatmen im Münchner MAN-Stammwerk ist, zeigt der hohe Besuch. „Heute erleben wir hier die Herausforderung mit den Lieferketten“, philosophiert Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder beim persönlich vor Ort begleiteten Wiederanlauf der Lkw-Fertigung des Nutzfahrzeugkonzerns. „Sechs Wochen standen unsere Bänder still, weil ukrainische Zulieferer nicht fertigen konnten“, erklärt MAN-Chef Alexander Vlaskamp neben ihm und versucht, laute Produktionsgeräusche zu übertönen. In Handarbeit und mit Billiglohn in der Ukraine gefertigte Kabelbäume beziehungsweise deren Ausbleiben war es, das nicht nur die gesamte deutsche, sondern auch die polnische MAN-Fertigung Mitte März zum Erliegen gebracht hatte. Der Neustart ist ein vorsichtiger unter Vorbehalt.
Zum einen kann die Produktion nur nach und nach wieder hochgefahren werden. Bis zu einem kompletten Hochlauf dauere es noch bis zum Spätsommer, warnt Vlaskamp. Denn MAN- Zulieferer in der Westukraine könnten nun zwar mehr neue Kabelbäume bauen, als noch vor wenigen Tagen erwartet, aber eben doch nur auf Sparflamme. Es dauere zudem Monate, um dafür parallel alternative Produktion in Rumänien, der Türkei und Brasilien auf die Beine zu stellen. Zum anderen bleibt der Kriegsverlauf in der Ukraine unwägbar.
Krieg gegen die Ukraine: Autohersteller Stellantis stellt Betrieb in Russland ein
Der Autohersteller Stellantis, der in Russland die Marken Peugeot, Citroёn, Opel, Jeep und Fiat produziert und verkauft, stellt die dortige Produktion ein.
© Quelle: Reuters
„Falls sich der Krieg in die Westukraine verlagert, kann es sein, dass wir erneut Stillstand erleiden“, stellt Vlaskamp klar. Die Kurzarbeit bei MAN an allen deutschen Standorten für bis zu 11.000 Beschäftigte in München, Nürnberg und Salzgitter wird ohnehin, wenn auch in sukzessive vermindertem Umfang, noch bis Ende Juni verlängert. Die Lage entspannt sich also langsam und ohne Gewähr vor Rückschlägen.
Der Lkw-Bauer ist mit seinen Sorgen nicht allein, auch wenn seine ebenfalls zum VW-Imperium zählende schwedische Schwestermarke Scania bislang ohne Produktionsstopp durch den Krieg in der Ukraine fährt. Scania bezieht Kabelbäume aus Polen.
Deutsche Kfz-Hersteller mussten dagegen wegen fehlender Zulieferungen infolge des Kriegs ebenfalls bereits zeitweise Fabriken schließen. Bei BMW in Regensburg ist es nächste Woche wieder so weit, weil dort erneut Teile fehlen.
Kabelbäume sind schon bei Autoherstellern spezielle Maßanfertigung, die je nach Ausstattungsdetail erst kurz vor Produktionsstart des jeweiligen Wunschautos von Hand zusammengeflochten werden. Ein Kabelbaum für ein Auto mit Sitzheizung sieht anders aus als einer für einen Wagen ohne. Die Lkw-Fertigung, wo so unterschiedliche Kunden wie Feuerwehren und Spediteure bedient werden, ist ungleich individueller, was sich vor allem auch im Kabelbaum widerspiegelt, erklären Lkw-Bauer. Deshalb dauere es auch Monate, bis eine Alternativfertigung steht.
Ein Fünftel der Lkw-Jahresproduktion ist verloren
Die schon eingetretenen und noch absehbaren Produktionsausfälle beziffert MAN auf etwa ein Fünftel einer normalen Jahresproduktion von gut 80.000 Brummis – also rund 16.000 Lastwagen. Dazu haben sich die Lieferzeiten erheblich verlängert. MAN wirbt deshalb bei Kunden, sich mit Standardlastwagen ohne Sonderwünsche zu begnügen, weil dann schneller geliefert werden kann. „Das wird vielfach angenommen“, sagt ein Sprecher.
Es gibt jedoch noch eine andere schlechte Nachricht für MAN-Kunden. Lastwagen werden in absehbarer Zukunft teurer, weil Kosten für Energie und Material enorm gestiegen sind. Über das Ausmaß der Aufschläge schweigen sich die Münchner noch aus. Sie dürften aber spürbar ausfallen, wird zu verstehen gegeben. Der Umstand, dass der MAN-Vorstand sich in der Krise solidarisch zeigt und für drei Monate auf ein Zehntel seines Gehalts verzichtet, dürfte da wenig Trost bieten.