Riesenzoff bei der Gewerkschaft

Wie Verdi einen ambitionierten Mitarbeiter loswerden wollte – und scheiterte

Der Schatten eines Teilnehmers am Warnstreik fällt auf eine Fahne der Gewerkschaft Verdi.

Verdi-Fahne bei einer Kundgebung: Es brodelt in der Gewerkschaftszentrale.

Groß ist die Erleichterung, als die Verhandlung vor dem Berliner Arbeitsgericht am Dienstag vorbei ist – zumindest bei einer Seite. Im Saal liegen sich der Kläger, Kollegen und Unterstützer sowie Betriebsräte in den Armen, nachdem der Richter einer Kündigungsschutzklage stattgegeben hat. Orhan Akman darf an seinen Arbeitsplatz zurückkehren.

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Gar nicht in Feierlaune ist dagegen die Gewerkschaft Verdi. Denn es waren ausgerechnet die Kämpfer für Arbeitnehmerrechte, die ihren einstigen Sekretär ziemlich unsanft vor die Tür gesetzt hatten.

Der hat mit dem Sieg vor dem Berliner Arbeitsgericht einen wichtigen Etappensieg errungen: Akman, vor Gericht im gut sitzenden blauen Jackett mit akkurat getrimmtem Bart und streng gebundenem Zopf, leitete bis August die Fachgruppe Einzelhandel in der Verdi-Bundeszentrale. Arbeitskämpfe bei Amazon, aber auch bei Modeketten und in Supermärkten waren das Metier des 47-Jährigen. Akman gilt als harter Verhandler, der bei Betriebsrätinnen und Betriebsräten Rückhalt hat. Selbst seine Kritiker attestieren ihm gute Arbeit.

Orhan Akman von Verdi kritisiert die neuen Arbeitsbedingungen bei Amazon vor allem wegen des fehlenden Kontakts unter den Mitarbeitern.

Gewerkschaftssekretär Orhan Akman.

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Im Spätsommer kam es trotzdem zum Bruch mit dem Arbeitgeber. Am 30. August und 2. September kündigt Verdi Akman fristlos, zweimal binnen drei Tagen. Eine dritte Kündigung soll wegen eines Formfehlers zurückgezogen worden sein. Es ist ein Vorgehen, das bei anderer Gelegenheit von Gewerkschaftern gern als überzogene Methode gewerkschaftskritischer Arbeitgeber gebrandmarkt wird.

Wer ist die Quelle für die Springer-Berichte?

Obwohl die Verdi-Zentrale keinen offiziellen Kommentar abgab, kannten bald viele den Grund für die Entlassung: Das Medienportal „Businessinsider“ hatte kurz zuvor über „Vetternwirtschaft bei Verdi“ berichtet. Interne Unterlagen von Verdi zeigten demnach, dass hochrangige Funktionärinnen und Funktionäre einige Aufträge an ihre Angetrauten vergeben hatten. Anonyme Insider kritisierten mangelnde Compliance-Strukturen. Namentlich belastet wurden unter anderem Silke Zimmer, Handelsfachbereichsleiterin in NRW, und Vorständin Stefanie Nutzenberger.

Die können nichts in der Hand haben, denn ich habe keine Daten weitergegeben.

Orhan Akman,

Verdi-Mitarbeiter

Die Beauftragung sei offen und transparent sowie entlang der Verdi-Richtlinien erfolgt, meint dazu bis heute der Vorstandssprecher. Akman hingegen äußerte sich später kritisch, forderte unter anderem in der Fachzeitschrift „Lebensmittelzeitung“ öffentlich Aufklärung. Bei Verdi machte ein Gerücht die Runde: Könnte es nicht sein, dass der streitbare Gewerkschaftssekretär selbst die Quelle der Enthüllungen ist und die „Springerpresse“ mit Informationen füttert?

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Die Vermutung reichte der Gewerkschaft für eine sogenannte Verdachtskündigung. Und mit genau der scheiterte sie nun vor dem Berliner Arbeitsgericht. Die Tatvorwürfe seien nicht beweisbar und auch nicht hinreichend genau umrissen, urteilte der Richter. Zugriff auf die geleakten Daten hätten wohl mehrere Personen gehabt, „ein durch objektive Tatsachen begründeter Verdacht erscheint fragwürdig“, hieß es im Richterspruch. Der bemängelte auch, eine notwendige Anhörung Akmans habe nicht ordnungsgemäß stattgefunden. Akman dementiert die Vorwürfe gegenüber dem RND: „Die können nichts in der Hand haben, denn ich habe keine Daten weitergegeben“, sagt er.

Die öffentlich geäußerte Kritik an Zimmer und Nutzenberger rechtfertigte nach Ansicht des Gerichts auch die zweite fristlose Kündigung nicht. „Die Kammer hält das für nicht so schwerwiegend, das ist keine Pflichtverletzung“, sagte der Richter. Auch habe Akman die öffentliche Kritik zugestanden: „Immerhin geht es hier um eine Kandidatur“, erklärte er mit Blick darauf, dass Akman zuletzt nicht mehr nur Gewerkschaftssekretär war: Der 47-Jährige, seit 20 Jahren bei Verdi, hat im Frühjahr angekündigt, selbst in den Bundesvorstand zu wollen.

Kampfkandidatur um einen Vorstandsposten

Es ist eine Kampfkandidatur. Akman will zwar nicht zwangsweise Nutzenberger beerben, aber im neunköpfigen Vorstand ist für den Bereich Handel üblicherweise nur ein Posten reserviert. Und mit Silke Zimmer interessiert sich für den auch eine Kontrahentin, die als Vertraute und Wunschnachfolgerin Nutzenbergers gilt. Gleichzeitig ist Nutzenberger Leiterin des Fachbereichs Handel – und als solche war sie Akmans direkte Vorgesetzte und an den Kündigungen möglicherweise beteiligt. Für die Gewerkschaft, per Definition ein demokratisch aufgebauter Nichtverein, bei dem viele Leute bei vielen Entscheidungen mit- und auch viel übereinander reden, sind das die Zutaten für eine öffentlich ausgetragene Schlammschlacht.

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Kurz nach der Kündigung taucht eine erste Petition im Internet auf, angestoßen von einem anonymen Nutzer des Portals Change.org. Schnell finden sich Hunderte Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, die die Rücknahme der Kündigung fordern. Ob die digitalen Unterschriften tatsächlich von Verdi-Mitgliedern stammen, daran äußert ein Vorstandssprecher schnell Zweifel.

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Bei einer RND-Stichprobe in der vergangenen Woche gingen aber durchaus waschechte Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ans Telefon. „Uns laufen die Mitglieder eh schon weg“, und „diesen Prozess wird Verdi verlieren“, sagte beispielsweise eine Unterzeichnerin in der vorigen Woche. Andere Unterzeichner waren allerdings per Internetrecherche nicht auffindbar.

Nicht nur im Netz macht sich Widerstand breit. Ganze Betriebsrätekonferenzen fordern die Rücknahme der Kündigung. Auch die betrieblichen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter wollen ungern mit Namen genannt werden, bei H&M und Zara klingt man im Hintergrundgespräch ähnlich: Akman wird als engagierter Sekretär gelobt, die Kündigung scharf kritisiert – auch weil unsanfte Rauswürfe wie der von Akman eben eher bei der Arbeitgeberseite üblich seien und nicht zum Repertoire der Gewerkschaft gehören sollten. Der Vorstand wird durchgängig zur Rücknahme der Kündigung aufgefordert.

Rückhalt in den Betriebsräten

Manch einer kann sehr genau benennen, warum: Bei H&M etwa hat Verdi gemeinsam mit dem Betriebsrat gerade den bundesweit ersten Digitalisierungstarifvertrag im Handel abgeschlossen. Der stärkt auch den Betriebsrat, negativen Auswirkungen neuer Technologien auf Arbeitsbedingungen soll das entgegen wirken. Verhandlungsführer war neben dem zuständigen Verdi-Unternehmensbetreuer* Orhan Akman, bis der völlig überraschend gekündigt wurde. Ohne den versierten Akman habe man sich zunächst um den ganzen Tarifvertrag gesorgt und es dann nur dank einiger Improvisation* hinbekommen, ärgert man sich in Kreisen des Gesamtbetriebsrats der Modekette. „Nach einem langen Tag war das eine gute Entscheidung“, sagt denn auch Vorsitz Niklas Kauffeld über das Urteil in Berlin.

Schlussendlich sollen mehrere ehrenamtliche Gremien und ganze Gliederungen die Rücknahme der Kündigung gefordert haben, etwa der Verdi-Bezirk München und die hessische Landesdelegiertenkonferenz.

Verdi dementiert das nicht: „In einem von 60 Bezirksvorständen bzw. auf einer von 60 Bezirkskonferenzen wurde die angesprochene Forderung erhoben – in 59 weiteren Bezirken gab es keine derartige Beschlussfassung“, erklärte ein Sprecher. Auch die Forderungen von anderen Untergliederungen und Gremien bewegten sich in ähnlicher Relation, sagte er weiter.

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Doch vor allem dreht Orhan Akman selbst auf, was er sehr gut kann: Der Sohn von Gastarbeitereltern hat zeitweise bei Fleischbaron Tönnies gearbeitet, lange vor der Aufregung um Arbeits- und Hygienebedingungen versuchte er dort, einen Betriebsrat zu gründen. Eindruck hat er offenbar gemacht, im beschaulichen Fachwerkstädtchen Rheda-Wiedenbrück berichtete die „Glocke“ zuletzt ausführlich über den Konflikt Akmans mit dem Bundesvorstand. Als internationaler Gewerkschaftssekretär eckte Akman während eines Einsatzes außerdem in Peru derart an, dass man ihm die Einreise verbot – angeblich intervenierte das Auswärtige Amt zu seinen Gunsten, schwärmen bis heute einige.

Welche Rolle spielten die Ambitionen des Sekretärs?

Und auch im Gespräch schaltet der Kampfkandidat in den Kampfmodus: „Der eigentliche Grund für die Kündigung ist ein politischer Konflikt“, sagt Akman dem RND. Vorstandsmitglieder würden sich hinter Formalismus verstecken und mit Dreck werfen. „Ich bin seit 20 Jahren bei Verdi, und ausgerechnet jetzt, wo ich kandidiere, eskaliert es“, ärgert er sich.

„Diese Behauptung ist frei erfunden beziehungsweise eine Schutzbehauptung“, teilt dazu ein Vorstandssprecher schriftlich mit. Er hat einen langen Fragenkatalog bekommen und ausführlich geantwortet. Bei einigen Fragen steht nun Wort gegen Wort, die Themenkomplexe würden ganze Seiten füllen. Selbst zur Frage, ob zuerst Zimmer oder zuerst Akman die Kandidatur für den Bundesvorstand angekündigt hat, existieren unterschiedliche Darstellungen.

Aber der Sprecher kann sich auf das ranghöchste Gremium im Bereich Handel berufen: „Die Mitglieder des ehrenamtlichen Vorstands im Bundesfachbereich haben aufgrund seines Verhaltens und der öffentlichen Äußerungen bereits im August keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Orhan Akman gesehen“, sagt er.

13.10.2021, Mecklenburg-Vorpommern, Neubrandenburg: Ein Mitarbeiter sortiert an einem Transportband Paketsendungen im neuen Verteilzentrum des Online-H��ndlers Amazon. Das zweite Verteilzentrum des H��ndlers in Mecklenburg-Vorpommern wird am 13.10.2021 offiziell er��ffnet. Laut Betreiber werden hier t��glich etwa 10.000 Pakete aus europ��ischen Logistik- und Sortierzentren entladen und den Zustellfahrzeuge zugeordnet. Foto: Jens B��ttner/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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Kritikerinnen und Kritiker monieren aber, dass der Bundesfachbereichsvorstand eben ein Gremium ist, mit dem vor allem Nutzenberger qua Amt eng zusammenarbeitet. Zwischen ihr und Akman hat das schon vor der Kündigung für massiven Zoff gesorgt: Der Fachbereichsvorstand nominiert nämlich die Kandidaten. Und der Termin für die außerordentliche Sitzung zu deren Vorstellung wurde zunächst so gelegt, dass Akman wegen eines anderen Gewerkschaftstermins keine Zeit gehabt hätte. Dann wurde ein Termin gefunden, den Akman allerdings verpasste, weil er sich um seine kranke Tochter kümmern musste. Die Sechsjährige sei chronisch krank, die Vormittagsbetreuung kurzfristig ausgefallen, rechtfertigt er sich.

Der Verdi-Sprecher wirft Akman vor, zwei Alternativvorschläge für den Auftritt nicht angenommen zu haben. Er habe nicht genug Luft für eine Videoschalte und wegen anderer beruflicher Verpflichtungen an dem Tag auch nicht die Zeit für einen späteren Auftritt gehabt, entgegnet Akman.

Niederlage in Abwesenheit

Fest steht das Ergebnis der Abstimmung, das eindeutig zugunsten der Anwesenden Silke Zimmer und zuungunsten des abwesenden Akman ausging: 20 Stimmen für Zimmer, eine Enthaltung, keine für Akman.

Aus Sicht des Verdi-Sprechers ist das ein aussagekräftiges Votum: „Der Bundesfachbereichsvorstand setzt sich aus ehrenamtlichen Vertreter*innen aus den Betrieben des Handels in ganz Deutschland zusammen“, die Kolleg*innen würden tagtäglich an der Basis mit Beschäftigten und Mitgliedern arbeiten. Auch wäre eine Verlegung des Termins schwierig gewesen, schließlich seien die ehrenamtlichen Gremienmitglieder häufig nicht freigestellt.

Akman geht derweil davon aus, dass zumindest ein Achtungserfolg drin gewesen wäre: „Das Ergebnis wäre garantiert anders ausgefallen, hätte ich mich vorstellen können“, sagt er – und betont, sich generell „kaltgestellt“ zu fühlen: Von Januar bis März habe er gegen seinen Willen 420 Überstunden abbauen müssen, die er in der vor allem für den Handel turbulenten Corona-Zeit gesammelt habe. Deshalb habe er in dieser entscheidenden Phase schlechter Kontakte pflegen können.

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Akman habe dem doch zugestimmt, vor allem sei die Kandidatur damals gar nicht bekannt gewesen, sagt wiederum der Vorstandssprecher: „Der zeitliche Zusammenhang dieses Vorwurfs ist abenteuerlich.“

Derweil ist die Kritik bei einigen von Akmans Unterstützerinnen und Unterstützern längst grundsätzlich geworden: Dass Vorständin Nutzenberger ein Gremium betreut, das wichtige Entscheidungen fällt und zugleich aus häufig nicht freigestellten Mitgliedern besteht, ist nach Lesart der Akman-Anhänger Teil des Kernproblems. Als erst vor 20 Jahren gegründeter Zusammenschluss von fünf Einzelgewerkschaften seien die Verdi-Strukturen enorm kompliziert, den Durchblick hätten tendenziell vor allem erfahrene Funktionärinnen und Funktionäre. Manche Gremienentscheidung sei deshalb von deren Willen geprägt. Darunter sei das Votum des Bundesfachbereichsvorstands im Sinne von Nutzenberger, heißt es dann in Hintergrundgesprächen.

Die komplexe Struktur der Gewerkschaft

Ob das stimmt, lässt sich nicht belegen – überraschen würde es bei keiner Organisation, die ähnlich wie Verdi aufgebaut ist. Die Dienstleistungsgewerkschaft, das sagt hinter vorgehaltener Hand jeder, ringt mit ihren komplizierten Strukturen. Wer „Verdi-Matrix“ sagt, erntet bei Mitgliedern schon lange Wehklagen und Augenrollen. In den vergangenen Jahren gab es mehrere Reformversuche, die zum Teil für heftige interne Kritik sorgte. Ob derlei Umbauten Wirkung zeigen, muss sich noch herausstellen.

Akman jedenfalls gehört zu jenen, die weitergehende Vorstellungen haben: Als Vorstand würde er unter anderem die Bundeszentrale schwächen, Stellen dort nicht neu besetzen und einen Haufen Sekretärinnen und Sekretäre auf Bezirksebene einstellen – um dann einige große und zukunftsträchtige Betriebe gezielt „aufzurollen“, wie er im schönsten Gewerkschafterdeutsch erklärt.

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Der Bundesvorstand gesteht sich nicht einmal ein, dass sich die Organisation in einer enormen Krise befindet.

Orhan Akman,

Verdi-Mitarbeiter

Ob ihm derartige Versprechungen an die Basis bei seiner Kandidatur für den Vorstand helfen, muss sich noch zeigen. Akman geht jedenfalls davon aus, mit seinen Plänen Rückhalt zu haben. Dass es bei Verdi kriselt, sei jedenfalls klar, findet er. „Der Bundesvorstand gesteht sich nicht einmal ein, dass sich die Organisation in einer enormen Krise befindet“, meint Akman. Dabei habe die Dienstleistungsgewerkschaft seit ihrer Gründung eine Million Mitglieder verloren.

Bezüglich seiner Kandidatur sind Betriebsrätinnen und Betriebsräte allerdings zurückhaltender als bei der Kündigung, obgleich manch einer freimütig bekundet, dass es dem Bundesvorstand guttun würde, endlich einmal auch jemanden mit Migrationshintergrund in seinen Reihen zu haben. Ansonsten legt man sich nicht auf Zimmer oder Akman fest. Begrüßt wird aber, dass sich durch das Urteil nun zwei Kandidierende in einem fairen Wettbewerb stellen müssten.

Entscheidung im Herbst nächsten Jahres

Dass bis zum entscheidenden Gewerkschaftskongress im Herbst 2023 mit Zimmer und Akman zwei Hauptamtliche um den Vorstandsposten ringen, steht allerdings noch nicht fest. Verdi äußert sich noch nicht zu den Folgen der Berliner Gerichtsentscheidung, will erst einmal die Urteilsbegründung abwarten. „Danach wird über das weitere Vorgehen und eine mögliche Berufung entschieden“, sagte der Vorstandssprecher. Und bislang steht der Bundesverstand auf der Seite der Fachbereichskonferenz, die eben schon im August das Tischtuch mit Akman zerschnitten hat. Deren Auffassung teile man ausdrücklich, „daran hat sich auch durch sein Verhalten in den letzten Monaten nichts geändert“, heißt es.

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Die Feierlaune nach der Verhandlung in Berlin war deshalb womöglich verfrüht, obgleich sich Stimmen mehren, dass endlich der Bundesvorsitzende Frank Werneke in dem Konflikt eingreifen und eine „politische Einigung“ herbeiführen möge. Derartiges wäre wohl auch dem Arbeitsrichter in Berlin am liebsten. Trotz der bereits gescheiterten Güteverhandlung appellierte er kurz vor der Urteilsverkündung eindringlich an beide Seiten, noch einmal ernsthaft über eine Einigung nachzudenken: „Stellen Sie sich doch einmal vor, das Amtsgericht gibt der Klage statt“, bat er und verwies auch auf die Außenwirkung.

Akman zeigte sich kompromissbereit, eine Weiterbeschäftigung vorausgesetzt. Dafür sehe man keine Möglichkeit, bekundete der Verdi-Personalchef, lehnte ab und wurde prompt dazu zur Weiterbeschäftigung „bis auf Weiteres“ verdonnert. Auch entgangene Gehälter müssen nachgezahlt werden. „Sie haben gewonnen“, sagte der Arbeitsrichter in Richtung Akmans und seiner Anwältin.

*Der Beitrag wurde nach Erscheinen wegen einer Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats sowie der Bundestarifkommission von H&M an dieser Stelle ergänzt. Letztere betont nun ausdrücklich, mit dem ausgehandelten Digitalisierungstarifvertrag zufrieden zu sein, dieser sei „nicht nur Vorbild, sondern auch Vorreiter für die gesamte Textilbranche und darüber hinaus“. Der dank dafür gebühre neben Orhan Akman und weiteren Beteiligten insbesondere dem Cosimo-Damiano Quinto, welcher ebenfalls ein „erfahrener Verhandlungsführer und Unternehmensbetreuer“ sei. Quinto und Akman seien bis zu dessen Kündigung „ein perfekt aufeinander abgestimmtes Duo“ gewesen. Akmans Kündigung habe das auseinandergerissen „und unser Verhandlungsteam musste sich zusätzlich zu der stressigen Endphase auch noch neu kalibrieren“, heißt es bei der Bundestarifkommission.

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