Viessmann verkauft Wärmepumpen-Geschäft: Der Boom lockt die Konzerne
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Wirtschaft, Energie, Heizung: Eine Wärmepumpe der Marke Viessmann steht im Garten eines Einfamilienhauses.
© Quelle: picture alliance / Kirchner-Media
Jetzt ist es offiziell: Der hessische Heizungsbauer Viessmann verkauft seine Klimasparte einschließlich der lukrativen Wärmepumpen an den US-Konkurrenten Carrier Global. Im Gegenzug übernimmt die verbleibende Viessmann-Gruppe ein Aktienpaket und wird nach eigenen Angaben einer der größten Anteilseigner des US-Konzerns. Nach Angaben des möglichen Käufers entspreche der Preis dem 13-fachen des für 2023 erwarteten operativen Ergebnisses, wie Carrier in der Nacht auch Mittwoch mitteilte. Das Geschäft soll bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein.
Beide Seiten hätten sich auf langfristige Garantien geeinigt, teilte Viessmann mit. So seien betriebsbedingte Kündigungen für drei Jahre ausgeschlossen, wichtige Standorte für fünf Jahre gesichert und Allendorf an der Eder für zehn Jahre als Hauptsitz gesetzt. An die Mitarbeiter der Sparte sollen 106 Millionen Euro als Sonderprämie „für 106 Erfolgsjahre“ ausgeschüttet werden. Mit der Mitteilung wurde am späten Dienstagabend zur Gewissheit, was mehrere Medien bereits über den Tag aus informierten Kreisen berichtet hatten.
In der Politik wächst unterdessen die Sorge vor einem Ausverkauf. Jens Spahn, wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, kritisierte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne): „Die Wärmewende mit der Brechstange erzeugt großen Druck auf deutsche Hersteller“, sagte Spahn dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Viessmann: Paradebeispiel für erfolgreichen Mittelstand
Das mehr als 100 Jahre alte Unternehmen Viessmann mit Zentrale im hessischen Allendorf betont stets seinen familiären Hintergrund und bezeichnet die weltweit 14.500 Beschäftigten als „Familienmitglieder“. Schon vor einigen Wochen kursierten jedoch Meldungen, dass ein externer Partner gesucht werde.
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Viessmann, geführt inzwischen von der dritten und vierten Generation, gilt als Paradebeispiel für erfolgreichen Mittelstand. Begonnen hat das Unternehmen 1917 als Schlosserei, die bald Heizkessel baute. Inzwischen umfasst der Geschäftsbereich Klimatechnik alles von der Heizung über Photovoltaik bis zum Blockheizkraftwerk für industrielle Anwendungen und der zugehörigen digitalen Steuerung. Diese Sparte steht für rund 85 Prozent des Konzernumsatzes von 4 Milliarden Euro. Sie soll nun offenbar verkauft werden.
Boom der Wärmepumpe
Das Produkt, das alles verändert hat, ist die Wärmepumpe. Mit dem Plan der Bundesregierung, dass neue Heizungen zu mindestens 65 Prozent regenerative Energien nutzen sollen, ist der Boom der elektrisch betriebenen Wärmepumpe vorgezeichnet. Auch in anderen Ländern wird die Technik umgestellt, zum Teil sogar schneller als in Deutschland. Hier wurden im vergangenen Jahr 236.000 Wärmepumpen verkauft, rund 50 Prozent mehr als im Jahr davor. In Frankreich und Italien waren es nach Daten des europäischen Branchenverbands EHPA bereits rund doppelt so viele, und in Polen habe sich die Zahl verdoppelt.
Habeck warnt vor „Torschlusspanik“ beim Heizungstausch
Die Bundesregierung plant, dass ab 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll.
© Quelle: dpa
Für die kleineren Anbieter ist diese schnelle Expansion ein riesiger Kraftakt. „Die Industrie geht momentan massiv in Vorleistung“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP), Martin Sabel, jüngst bei der Vorstellung einer Branchenstudie. „Die Unternehmen investieren in die Erweiterung von Fertigungskapazitäten, in neue Werke und neue Arbeitsplätze.“
Die Liste solcher Projekte ist lang, und nicht selten geht es um Investitionsprogramme im Milliardenbereich.
- Auch Viessmann hat ein Investitionsprogramm über eine Milliarde Euro allein für die Wärmepumpe angekündigt.
- Bosch plant in der gleichen Größenordnung und will ein neues Werk für Wärmepumpen in Polen bauen.
- Vaillant startet gerade eine neue Produktion in der Slowakei.
- Der japanische Daikin-Konzern will im Sommer 2024 ein Werk in Polen eröffnen.
Viessmann-Zentrale soll in Deutschland bleiben
Bis Ende des Jahrzehnts müsse die Produktion auf rund eine Million Stück pro Jahr hochgetrieben werden, rechnet der BWP vor. Es gehe nicht nur um Stückzahlen, sondern um die Transformation der gesamten Heizungsindustrie, die in Deutschland mittelständisch geprägt und bisher vor allem auf Öl- und Gasanlagen ausgerichtet ist. „Diese Transformation muss die Bundespolitik aktiv unterstützen“, fordert der Verband und verweist auf die hohen Subventionen in den USA. Im Rahmen des Inflation Reduction Act werde die Produktion von Wärmepumpen in den USA massiv gefördert. Damit sei die Chancengleichheit im globalen Heizungsmarkt „zumindest gefährdet“.
Die Riesen des Geschäfts kommen aus Japan und den USA. So beschäftigt die Carrier-Gruppe, die nun bei Viessmann zum Zuge kommen will, weltweit mehr als 40.000 Menschen vor allem in der Kühl- und Kältetechnik. Im vergangenen Jahr machte das börsennotierte Unternehmen gut 20 Milliarden Dollar Umsatz. Die Gerüchte um den Zukauf ließen den Aktienkurs allerdings bereits am Montag abrutschen – vermutlich wegen des Preises: Angeblich will Carrier 11 Milliarden Euro inklusive Schulden für die Viessmann-Sparte zahlen.
FDP warnt vor Ausverkauf deutscher Technologie
Nicht nur die Opposition nutzt die Meldungen zur Kritik am Wirtschaftsminister. „Habecks Heizungsverbotsgesetz droht zum Ausverkauf deutscher Hochtechnologie zu führen“, sagte Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher des Ampelpartners FDP. „Für mich ist diese Meldung ein starkes Indiz dafür, dass die deutschen Technologieunternehmen aufgrund der unzulänglichen Standortpolitik seitens des Wirtschaftsministers massiv unter Druck sind. Wir brauchen deshalb dringend eine Verbesserung der Standortbedingungen.“
Die Hersteller müssten „binnen Wochen ihre Produktion hochfahren, sonst verlieren sie Marktanteile an asiatische Hersteller“, sagte Spahn. „Offenbar braucht es dazu ausländische Investoren. Das Wärmewendechaos der Ampel führt so zum Ausverkauf der deutschen Wärmepumpe.“
Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich auf Anfrage des RND nicht zu dem Fall äußern und verwies darauf, dass es bislang lediglich Medienberichte gebe. In Regierungskreisen hieß es, dass es ein Beleg für die hohe Attraktivität des Wärmepumpenmarktes in Deutschland sei, wenn dieser Kapital aus dem Ausland anziehe. Man werde wie bei allen Investitionsprojekten darauf achten, dass Gewinne, die aus der deutschen Energiepolitik resultieren, auch dem deutschen Standort zugutekämen.
Theoretisch kann der Bundeswirtschaftsminister Unternehmensverkäufe nach dem Außenwirtschaftsgesetz untersagen. Dazu müsste allerdings eine Beeinträchtigung der Ordnung oder wesentlicher Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland drohen. Die Hürde sei aus guten Gründen hoch, hieß es.
Mit dpa