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Die nächste Streikwelle rollt

Streiks bei der Bahn und an Airports: „Weit über das tolerierbare Maß hinaus“

Eine Frau geht am frühen Morgen im Hauptbahnhof an einem Zug entlang.

Eine Frau geht am frühen Morgen im Hauptbahnhof an einem Zug entlang.

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Frankfurt am Main. Martin Seiler, Personalvorstand der Deutschen Bahn, versprach am Mittwoch „umfangreiche Kulanzregelungen“ für betroffene Bahnkundinnen und -kunden. Denn es sei am Freitag mit „erhebliche Einschränkungen“ zu rechnen. Im Fernverkehr sei der Tag mehr oder weniger gelaufen. „Alle, die umplanen können, sollten das tun.“

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Die DB will den Fernverkehr am Vormittag vollständig einstellen. Ab 13 Uhr soll er zwar schrittweise wieder anlaufen. Dennoch sei bis in die frühen Abendstunden mit bundesweiten Auswirkungen des Streiks auf die ICE- und IC-Züge zu rechnen, teilte der Staatskonzern mit. Fahrgästen soll es einfach gemacht werden, für Freitag geplante Reisen zu verschieben: Bis einschließlich 18. April gebuchte Tickets für den Fernverkehr dürfen laut DB-Mitteilung ab sofort bis einschließlich Dienstag, 25. April, flexibel genutzt, Sitzplatzreservierungen können kostenfrei storniert werden.

Den geplanten Warnstreik der EVG bezeichnete Seiler als „völlig unnütz“. Die Gewerkschaft habe Maß und Mitte völlig verloren. Er wolle dennoch mit der Gewerkschaft gemeinsam Lösungen finden. Der Streik sei für ihn daher „völlig unverständlich“.

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Blockaden auf beiden Seiten

Die Tarifparteien haben bereits mehrfach miteinander verhandelt. Bewegt hat sich bislang nichts. Beide Seiten werfen sich gegenseitig Blockadetaktiken vor. „Wir müssen jetzt endlich zu ernsthaften Verhandlungen kommen und Lösungen finden“, sagte Seiler.

Cosima Ingenschay, EVG-Tarifvorständin, kontert: „Wir brauchen ein verhandlungsfähiges Angebot für die nächste Tarifrunde – daher müssen wir den Druck erhöhen.“ Die EVG wolle die Arbeitgeber treffen und nicht die Fahrgäste. Neben der DB werden mutmaßlich weitere 48 Eisenbahnunternehmen von dem Streik betroffen sein.

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Beispiel öffentlicher Dienst?

Die nächste Verhandlungsrunde ist für Dienstag geplant. Dann könne die Eisenbahnergewerkschaft „am Tisch zeigen, ob sie wirklich bereit sind, etwas ausloten zu wollen“, so Seiler. Der DB-Personalvorstand hat bereits mehrfach gefordert, dass sich eine Lösung am öffentlichen Dienst orientieren müsse: „Warum sollte das, was für die 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gut ist, nicht auch für 180.000 Eisenbahnerinnen und Eisenbahner gut sein?“

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Genau solche Hinweise nerven die EVG-Verhandler zusehends. „Wir sind nicht Teil des öffentlichen Dienstes und wir sind auch nicht Teil des Schlichtungsverfahrens gewesen“, so Tarifvorstand Kristian Loroch. Und weiter: „Das weiß ein Herr Seiler und wissen auch alle anderen Arbeitgeber sehr genau.“ Für die andere Seite sei das natürlich schön, „weil man dann selbst das Hirn nicht einschalten muss, um branchenspezifische Lösungen zu finden“. Wenn Seiler meine, dass Tarifverhandlungen stellvertretend geführt werden sollen, „dann muss er sich die Frage stellen, ob man ihn überhaupt noch braucht“.

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Zweistelliger Lohnzuwachs

Die Kernforderung der EVG: 12 Prozent mehr Geld, aber mindestens 650 Euro im Monat, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Außerdem soll bei der Deutschen Bahn ein Mindestlohn von 13 Euro pro Stunde eingeführt werden. Loroch hat mehrfach darauf hingewiesen, dass sich die Eisenbahner während der Pandemie auf Bitten des Bahnvorstandes mit Tarifforderungen stark zurückgehalten haben. Deshalb gebe es nun Nachholbedarf.

Das war im öffentlichen Dienst anders. Und für den hat eine Schlichtungskommission nun vorgeschlagen, dass die 2,5 Millionen Beschäftigten über mehrere Etappen ein steuerfreies Inflationsausgleichsgeld von insgesamt 3000 Euro erhalten. Ab Frühjahr nächsten Jahres soll es eine Lohnerhöhung von 5,5 Prozent und mindestens 340 Euro mehr geben. Die Laufzeit: 24 Monate. Am 22. April wird wieder verhandelt. Ob der Schlichterspruch angenommen wird, ist offen. Wenn nicht, dürften eine Urabstimmung und anschließend unbefristete Streiks folgen.

Den EVG-Verhandlerinnen und -Verhandlern sind nicht nur die vorgeschlagenen Lohnerhöhungen zu niedrig, sie wollen vor allem von Einmalzahlungen überhaupt nichts wissen. Die Beschäftigten der Bahn benötigten dauerhafte Erhöhungen in den Lohntabellen. Und es müsse jetzt schnell vorangehen, so Ingenschay. „Die Leute brauchen das Geld in der Tasche.“ Ob es nächste Woche am Tisch tatsächlich vorangeht, wird bei der Eisenbahnergewerkschaft unterdessen bezweifelt. Nach Lorochs Worten bedeuten die bisherigen Verhandlungen ein Armutszeugnis für die DB. Das Management beschäftigte sich derzeit offenbar eher mit anderen Themen wie den eigenen Bonuszahlungen. Es wird schon laut über eine Eskalation der Arbeitskampfmaßnahmen nachgedacht.

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Martin Seiler, Personalvorstand der Deutschen Bahn, spricht nach der Pressekonferenz im Hauptbahnhof Berlin.

Martin Seiler, Personalvorstand der Deutschen Bahn, spricht nach der Pressekonferenz im Hauptbahnhof Berlin.

Langer Streit um Zuschläge

Dass nun am Freitag zeitgleich an Flughäfen gestreikt werde, sei ein Zufall, erläutert EVG-Funktionär Loroch. Anders als bei dem groß angelegten Warnstreik im Verkehrssektor Ende März hätten sich beide Gewerkschaften diesmal nicht abgesprochen. An den Airports geht es darum, dass Verdi und der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen seit Jahren über Zeitzuschläge für Nacht-, Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie über eine Entlohnung von Überstunden für die Sicherheits- und Servicekräfte an Flughäfen ergebnislos streiten. Die nächsten Verhandlungen sind für den 27. und 28. April geplant. Verdi erwartet ein verhandlungsfähiges Angebot.

Der Flughafenverband ADV geht davon aus, dass am Donnerstag und Freitag rund 700 Flüge ausfallen. „Knapp 100.000 Passagiere werden erneut die Leidtragenden der Verdi-Streiktaktik“, sagte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel. Die Arbeitskampfmaßnahmen gingen „weit über das tolerierbare Maß hinaus“.

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