Deutsche Gasspeicher: Wie Habeck Gazprom an die Kette legen will
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Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen).
© Quelle: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/
Berlin. Noch weiß niemand, wie der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ausgehen wird, eine Sache allerdings hat Russlands Präsident Waldimir Putin mit seinem Überfall auf den Nachbarstaat unfreiwillig erreicht: Die deutsche Energiepolitik ist mächtig in Bewegung gekommen. Monatelang haben Bund, Länder und Parteien über Themen wie nationale Energiereserven, Flüssiggasterminals oder den beschleunigten Ökostromausbau diskutiert, nun fallen die Entscheidungen binnen weniger Tage und Stunden.
So hat die Bundesregierung beschlossen, eine nationale Gasreserve aufzubauen, und zwar schnell. Schon am Montag sickerte aus dem Wirtschaftsministerium ein Eckpunktepapier durch. „Die Gasspeicher in Deutschland sind derzeit für eine Versorgung mit Gas in den Wintermonaten essenziell. Sie können in Kälteperioden Nachfragespitzen ausgleichen und so eine gleichmäßige Gasversorgung sicherstellen“, heißt es in dem Papier, das dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
Ein Volumen von 24 Milliarden Kubikmetern haben die deutschen Speicher – das entspricht etwa der Hälfte des Gases, das pro Jahr durch die Leitung Nord Stream 1 nach Deutschland fließt. Für zwei bis drei durchschnittlich kalte Wintermonate würde diese Menge reichen – wenn die Speicher zu Beginn des Winters ausreichend gefüllt sind. In diesem Winter waren sie das nicht, und aus Sicht des Wirtschaftsministeriums hat das maßgeblich zu den Preiskapriolen am Gasmarkt beigetragen.
Die Speicher gehören zum Teil Gazprom
Das Problem: Die Speicher gehören nicht der öffentlichen Hand, sondern Unternehmen, darunter der russische Staatskonzern Gazprom. Die Eigentümer durften bislang frei darüber entscheiden, welche Mengen an Gas sie vor Beginn der Kälteperiode einlagern. Damit will die Bundesregierung nun Schluss machen.
Die deutschen Gasspeicher sollten „unabhängig von den Betreiberinteressen“ zu Beginn des Winters gefüllt sein, heißt es in dem Eckpunktepapier. Den Betreibern sollen genaue Füllstände zu bestimmten Zeitpunkten vorgeschrieben werden. Zum 1. August eines Jahres sollen die Speicher zu 65 Prozent befüllt sein, zum 1. Oktober zu 80 Prozent, zum 1. Dezember zu 90 Prozent und zum 1. Februar zu 40 Prozent.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will das entsprechende Gesetz zügig in den Bundestag einbringen, damit es im April beschlossen werden und zum 1. Mai in Kraft treten kann. Dann stünde noch das gesamte Sommerhalbjahr zur Verfügung, um bis Anfang Dezember den Füllstand von 90 Prozent zu erreichen, so das Eckpunktepapier.
Bei der Kohlereserve wird noch geprüft
Bei der nationalen Kohlereserve ist die Ampelkoalition noch nicht ganz so weit. Hier wird gerade geprüft, wo und von wem ein Steinkohlevorrat aufgebaut werden kann, der den deutschen Bedarf für drei Monate deckt. Wahrscheinlich ist, dass entsprechende Halden in der Nähe vorhandener Steinkohlekraftwerke aufgeschüttet werden.
Auch beim Thema Flüssiggas (LNG) drückt die Bundesregierung aufs Tempo. Jahrelang wurde darüber diskutiert, ob und wenn ja, wo die Entladeterminals an der deutschen Küste gebaut werden sollen, jetzt haben die Koalitionäre eine Entscheidung getroffen. Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und Wilhelmshaven in Niedersachsen machen das Rennen, der Alternativstandort Stade, der ebenfalls in Niedersachsen liegt, hat das Nachsehen. Dem Vernehmen nach wurde die Entscheidung danach gefällt, welche Projekte am weitesten fortgeschritten sind und sich am schnellsten realisieren lassen.
„Schnell“ ist allerdings bei Infrastrukturvorhaben dieser Größenordnung so eine Sache. Drei bis fünf Jahre Planungs- und Bauzeit werden für ein festes Terminal veranschlagt, wie es in Brunsbüttel entstehen soll, 24 Monate für einen schwimmenden Entladepunkt, wie er in Wilhelmshaven geplant ist. Das Wirtschaftsministerium will nun prüfen, wie sich die Genehmigungs- und die Bauzeit verkürzen lassen und was der Bund tun kann, damit beide Projekte schnell realisiert werden. Bislang galten beide Projekte ohne staatliche Hilfen als nicht finanzierbar.
Den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien hatten die Ampelparteien bereits im Koalitionsvertrag verabredet. Einen entsprechenden Gesetzentwurf mit Sofortmaßnahmen hat Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck nun vorgelegt. Der Grünen-Politiker will beim Ausbau der Windkraft auf See sowie der Fotovoltaik deutlich mehr Tempo machen. „Errichtung und Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit“, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Vor Putins Überfall auf die Ukraine hätten die Koalitionäre über solche weitreichenden Formulierungen lange gestritten. Diese Zeiten sind vorbei.