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Arbeitspsychologin über Viertagewoche

„30 Stunden Wochenarbeitszeit oder weniger sind ohne Verluste möglich“

Lehrlinge der Deutschen Bahn arbeiten im Trainingszentrum an einer Kupplung.

Lehrlinge der Deutschen Bahn arbeiten im Trainingszentrum an einer Kupplung.

Berlin. Ein Versuch zur Viertagewoche in Großbritannien ist bei der Mehrheit der beteiligten 73 Unternehmen zur Halbzeit positiv bewertet worden. Es gebe keine Produktivitätsverluste, und Mitarbeiter seien viel motivierter. Die deutsche Arbeitspsychologin Hannah Schade vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (ifado) glaubt, dass in Zukunft noch mehr möglich sei.

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Nach Versuchen einer Viertagewoche heißt es meist: weniger Krankmeldungen, entspanntere Mitarbeiter, gleiche oder bessere Produktivität. Sind wir effizienter, wenn wir weniger arbeiten?

Wir werden unproduktiver, wenn wir zu lange arbeiten. Eigentlich logisch, denn niemand kann sich unendlich auf eine Tätigkeit fokussieren.

Ab wann werden Arbeitnehmer unproduktiver?

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Hannah Schade ist Arbeitspsychologin am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (ifado).

Hannah Schade ist Arbeitspsychologin am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (ifado).

Das lässt sich nicht so genau eingrenzen und ist sicherlich auch von Branche zu Branche unterschiedlich. Dazu kommt die individuelle Belastbarkeit eines Menschen. Es gibt schon lange Studien, die sagen, dass es ab 50 Stunden Wochenarbeitszeit eher kontraproduktiv wird. Außerdem geben viele Arbeitnehmer an, aus unterschiedlichen betrieblichen Gründen einen Teil ihrer Arbeitszeit unproduktiv abzusitzen.

Ist also die Fünftagewoche unzeitgemäß?

Es geht weniger um die Tage als die Stundenzahl. Ich denke, die 40-Stunden-Woche hat sich überholt. Es ergibt wenig Sinn, daran festzuhalten. Hier liegt eine Betrachtung zugrunde, die völlig ausklammert, welche Leistungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über ihre betriebliche Tätigkeit hinaus bringen müssen. Dazu zählen Haushaltsarbeiten oder die Kindererziehung.

Ist der Fachkräftemangel ein Argument für oder gegen Arbeitszeitverkürzungen bei gleichem Lohn?

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Arbeitgeber können hiermit ihre Attraktivität steigern. Das geschieht in manchen Bereichen schon. Es ist eine richtige Entwicklung, auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer zu schauen. Es steigert die Motivation, einen guten Job zu machen und nicht auf die Uhr zu schauen, wenn es drauf ankommt.

Die Wochenarbeitszeit, aufgeteilt auf fünf Tage, ist so etwas wie eine heilige Kuh in Deutschland. Ergibt so ein statisches Modell noch Sinn?

Da lohnt sich ein Blick zu unseren Nachbarn in den Niederlanden. Flexiblere Teilzeitverträge sind hier normal. Mal 35 Stunden arbeiten, mal 20 oder dann wieder 30 Stunden – das geht ohne Probleme. Das BIP pro Kopf und die Lebenszufriedenheit sind höher. Das spricht für eine Flexibilisierung. Gleichzeitig geht es aber auch darum, was wir als Gesellschaft als Vollzeit oder Ankerzeit erachten. Würde diese Zeit heruntergesetzt, wäre das sicherlich ein wichtiges Signal für einen Wandel hin zu Smart Work, Produktivität, Gesundheit und nachhaltiger Personalwirtschaft.

Was wäre aus Ihrer Sicht eine gute Ankerzeit?

35 Stunden sind schon ein guter Anfang. Langfristig wäre es sicherlich möglich, ohne Produktivitätsverluste zu einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden oder sogar noch weniger zu gelangen. Das geht aber nur Schritt für Schritt, denn die Anpassungsprozesse müssen gestaltet werden. Die Verringerung der Stundenzahl ist aber auch ein Antrieb für jeden Arbeitnehmer, selbst innovativ nach besseren Strukturen und Lösungen zu suchen. Ein Beispiel aus dem Projekt zur Viertagewoche etwa ist, dass Teams besser vorbereitet in Meetings gehen – um Zeit zu sparen.

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Welche Vorteile hätten Arbeitszeitreduzierungen bei Fließbandarbeiten?

Gerade in solchen Bereichen von Arbeit wären Reduzierungen wertvoll, um die Fehlerquote zu senken. Daneben wird für solche Mitarbeiter Gesundheitsprophylaxe betrieben. Es muss auch nicht zwanghaft um die Viertagewoche gehen. Man kann weniger Zeit ebenso auf fünf Tage verteilen.

In diesem Zusammenhang ist häufig auch von mangelhafter Pausenkultur die Rede. Wie sehen Sie das?

Arbeitspausen müssen erholsam sein. Das sind sie aber in vielen Fällen nicht. Solange alles ist, wie es ist, gibt es viele unproduktive, wenig genutzte Arbeitsstunden. Wenn wir eine wirklich erholsame Pause hätten oder mehrere Pausen, dann könnte man wahrscheinlich in acht Stunden die Zeit, die man tatsächlich arbeitet, ziemlich produktiv gestalten.

Wie beweglich schätzen Sie Deutschland in Sachen Arbeitszeit ein?

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Gesamtgesellschaftlich ist Deutschland an diesem Punkt ziemlich verschlossen. Kürzlich haben wir gerade wieder einmal wegen der Belastung der Rentensysteme über eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit diskutiert. Allerdings öffnen sich einzelne Betriebe für solche Modelle. Sie nehmen entsprechende internationale Studien ernst, weil sie Vorteile im Wettkampf um Arbeitskräfte sehen. Dadurch steigt der Druck auf andere Unternehmen, und es kommt zwangsläufig Bewegung ins Spiel.

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