Lasst euch nicht entmutigen
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Am 8. März ist Weltfrauentag.
© Quelle: IMAGO/ZUMA Wire
Auch wenn manche Menschen heute frei haben: Der Weltfrauentag ist kein Feiertag. Er ist ein zutiefst deprimierender Tag. Denn Jahr für Jahr werden am 8. März die gleichen mahnenden Worte gesprochen, die gleichen Forderungen wiederholt. Es wird Bilanz gezogen: Wie steht es denn um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Deutschland? Es wird abgewogen: Tut sich was? Doch die Antwort lautet immer: nicht genug.
Zum Weltfrauentag werden gerne frische Studien veröffentlicht – mit alten Erkenntnissen. Sie zeigen zum Beispiel, dass die deutsche Wirtschaft nach wie vor fest in männlicher Hand ist. Oft gibt es zum Weltfrauentag auch neue Zahlen – für längst bekannte Sachverhalte. Etwa, dass Frauen – auch bei gleicher Qualifikation – immer noch weniger verdienen als Männer. Sie gesellen sich zu anderen ebenfalls gut bekannten Fakten: dass Frauen pro Tag immer noch sehr viel mehr Sorgearbeit leisten als ihre Partner. Dass an jedem dritten Tag eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Expartner getötet wird.
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Altbekannte Fakten zum Weltfrauentag
Nichts davon ist neu. Ja, nichts davon kann gar – so schlimm das klingt – noch überraschen. All das haben wir schon am 8. März 2022 gewusst. Und werden es wohl oder übel auch am 8. März 2024 wieder hören. Das Problem ist nur: Auch an den Tagen dazwischen, auch am 9. März, am 14. August oder 27. November gehören Gewalt, Diskriminierung und Sexismus zur Lebensrealität von Frauen. Daran hat bisher kein Weltfrauentag etwas ändern können.
Für manche Menschen mag der 8. März trotzdem ein jährlich notwendiger Weckruf sein. Ein Anlass, die eigene Rolle – ob als Mann oder Frau – zu hinterfragen. Bevorzuge ich den Kandidaten für den Chefposten, weil er mir selbst näher ist oder weil er wirklich besser qualifiziert als die Gegenkandidatin ist? Ist es für unsere Familie aktuell wirklich die beste Lösung, wenn sie Teilzeit arbeitet und nicht er? Und wenn ja, wie wollen wir als Paar dann sicherstellen, dass auch sie keine Angst vor Altersarmut haben muss?
Der Weltfrauentag muss ermutigen, nicht entmutigen
Doch je öfter sich dieses Bilanzziehen am Weltfrauentag wiederholt, desto leichter wird es, sich davon entmutigen zu lassen. Desto größer ist die Gefahr, dass vor dem Hintergrund der immer gleichen Fakten und Statistiken aus Frauen nur noch Opfer werden. Nur noch Bittstellerinnen, die Jahr für Jahr betonen müssen: „Hört uns zu! Seht euch das an! Das ist unsere Realität!“ So lange, bis es niemand mehr hören mag.
Das darf nicht passieren. Stattdessen ist genau das Gegenteil nötig: Statt zu entmutigen, muss der Weltfrauentag ermutigen. Dafür ist ein Perspektivwechsel nötig. Ja, es ist wichtig, die Fakten zu kennen. Doch damit sich an ihnen etwas ändert, braucht es nicht nur ein Problembewusstsein, sondern auch Erzählungen, die Hoffnung machen.
Drei von vier Frauen in Deutschland sehen keine Gleichberechtigung
Keine Gleichberechtigung von Frauen und Männern: Das empfinden fast drei Viertel der Frauen in Deutschland einer Umfrage zufolge.
© Quelle: dpa
Es braucht eine neue Perspektive
Wie etwa der Fall einer 44-jährigen Frau aus Dresden. Ihr Kollege, obwohl nur zwei Monate früher eingestellt, verdiente für den gleichen Job im Vertrieb einer sächsischen Metallfirma sehr viel mehr. Die Frau sah sich wegen ihres Geschlechts benachteiligt und zog für Lohngerechtigkeit durch die Arbeitsgerichtsinstanzen. Im Februar dieses Jahres bekam sie vor dem Bundesarbeitsgericht Recht. Es war ein Urteil, das nun womöglich die Position vieler Frauen stärken wird. Ein Schritt zu mehr Entgeltgerechtigkeit in Deutschland. Oder der Fall von Kristina Hänel, die sich in ihrem jahrelangen Kampf gegen Paragraf 219a nicht unterkriegen ließ. Seit vergangenem Sommer ist das Werbeverbot für Abtreibungen aufgehoben.
Es sind solche Erfolge, die wir am Weltfrauentag viel häufiger in den Fokus rücken sollten. Denn sie sind der erste Schritt zu einer Welt, in der der 8. März wirklich ein Feiertag ist, der diesen Namen auch verdient.