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Dänemark startet Pilotprojekt für Carbon Capture and Storage

Gefangen und im Meeresgrund versenkt: Rettet die CO₂-Speicherung das Klima?

Ein mit CO₂ beladenes Schiff steuert auf die Ölbohrplattform Nini West-Feld zu: Über die Unterwasserpipelines der Plattform wird das Treibhausgas unter den Meeresboden gepumpt.

Ein mit CO₂ beladenes Schiff steuert auf die Ölbohrplattform Nini West-Feld zu: Über die Unterwasserpipelines der Plattform wird das Treibhausgas unter den Meeresboden gepumpt.

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Sie steht mitten in der Nordsee, mehrere Kilometer vom dänischen Festland entfernt. Da ist nur der endlose Horizont, der die Ölbohrplattform Nini West-Feld umgibt, und an dem ein Schiff erkennbar ist. Es kommt aus Belgien, genauer gesagt Antwerpen, und transportiert Tankcontainer, gefüllt mit flüssigem Kohlenstoffdioxid (CO₂). Es ist kein Zufall, dass sich das Schiff auf die ausgediente Plattform zubewegt. Genau dorthin soll es das verflüssigte CO₂ liefern, damit das Gas dann unter den Meeresboden gepumpt werden kann. CCS nennt sich dieses Verfahren, kurz für Carbon Capture and Storage.

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Das Projekt Greensand ist ein „Meilenstein“ der CO₂-Speicherung. Dieser Ansicht sind zumindest die beiden Unternehmen Ineos und Wintershall Dea, die das CCS-Projekt vor der Westküste Dänemarks leiten. Es ist das erste Mal weltweit, dass CO₂ grenzüberschreitend unterirdisch gespeichert wird. Am Mittwoch haben die Firmen, zusammen mit EU-Präsidentin Ursula von der Leyen und dem dänischen Kronprinzen Frederik, den Startschuss für die erste CO₂-Speicherung gegeben. „Dies ist ein großer Moment für den grünen Wandel in Europa“, sagte von der Leyen in einer Videobotschaft.

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Die Ansprüche an Greensand sind hoch: 2025/2026 sollen bereits bis zu 1,5 Millionen Tonnen CO₂ jährlich unter dem Meeresboden gespeichert werden. Bis 2030 sollen es sogar bis zu acht Millionen Tonnen pro Jahr sein. Acht Millionen Tonnen, die das Klima nicht mehr belasten würden, die nicht mehr dafür sorgen, dass sich die Erde weiter erwärmt. Es klingt geradezu einfach: Das Gas im Boden versenken, alles abdichten und schon ist die Gefahr gebannt, das Klima gerettet. Doch ganz so leicht ist es nicht.

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CCS-Technik ist kein Allheilmittel

Zu glauben, die CCS-Technik allein könnte den Klimawandel stoppen, sei falsch, meint Cyril Brunner. Er untersucht an der ETH Zürich, mit welchen Verfahren CO₂ aus der Atmosphäre entfernt werden kann. „Die CCS-Technik ist ein Puzzleteil, um unsere Emissionen zu senken“, sagt er, „aber es ist nicht das einzige Puzzleteil.“ CO₂ müsse nicht nur aus der Atmosphäre entfernt, sondern grundsätzlich weniger freigesetzt werden. Zu diesem Ergebnis war zuletzt auch der erste Sachstandsbericht zur CO₂-Entnahme State of Carbon Dioxide Removal gekommen. Nur so lässt sich Fachleuten zufolge das 1,5-Grad-Ziel erreichen, nur so könnte die EU bis 2050 klimaneutral werden.

Die CCS-Technik könnte gerade dort zum Einsatz kommen, wo sich CO₂-Emissionen nicht vermeiden lassen. Zum Beispiel bei der Zement-, Glas- oder Stahlherstellung oder bei der Müllverbrennung. Die Idee ist, das Gas, das in den jeweiligen Werken entsteht, einzufangen und dann unterirdisch zu speichern. Nach Einschätzung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern könnten so 65 bis 80 Prozent des CO₂ dauerhaft aus der Atmosphäre ferngehalten werden. Ob die CCS-Technik dieses Versprechen halten kann, sei jedoch noch nicht abschließend geklärt, merkt das Umweltbundesamt an.

NOR-GE-Projekt soll deutsche CO₂-Emissionen reduzieren

Weltweit entstehen zurzeit Forschungs- und Pilotprojekte, die das Potenzial der CCS-Technik genauer erforschen. Am weitesten vorangeschritten ist das Snøhvit-Projekt in Norwegen. Seit 2008 hat das Land in seinem fünftgrößten Gasfeld knapp fünf Millionen Tonnen CO₂ gespeichert.

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Von den langjährigen Erfahrungen Norwegens soll nun auch Deutschland profitieren – mit dem NOR-GE-Projekt, initiiert von den Firmen Wintershall Dea und Equinor. Ihr Ziel: CO₂ aus deutschen Industrien mit starken Emissionen von Wilhelmshaven aus zu geeigneten Lagerstätten in Norwegen transportieren. Anders als beim Projekt Greensand soll das nicht per Schiff, sondern mithilfe einer Pipeline geschehen. Diese soll ab 2037 20 bis 40 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr befördern. Das wären bis zu 24 Prozent der gesamten deutschen Industrieemissionen.

Klimawandel könnte Deutschland laut Studie 900 Milliarden Euro kosten
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Der Klimawandel birgt ein enormes Schadenspotenzial. Die Folgen könnten die deutsche Volkswirtschaft bis zum Jahr 2050 teuer zu stehen kommen.

Ein großen Vorhaben, das jedoch nur in der Theorie möglich ist. Faktisch steht ihm das deutsche Kohlendioxid-Speicherungsgesetz im Weg. Das Gesetz verbietet Unternehmen, CO₂ zu exportieren und woanders zu speichern. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) hat das Problem erkannt. Noch im Laufe dieses Jahres will er eine „Carbon-Management-Strategie“ präsentieren. Denn auch er hält die CCS-Technik für unerlässlich, damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann.

CCS-Technik ist nicht überall möglich

Doch der Einsatz der CCS-Technik ist begrenzt. Nicht überall lässt sich CO₂ speichern. Ausgebeutete Gas- oder Erdöllagerstätten sind etwa geeignet oder saline Aquiferen – also tiefliegende poröse, salzwasserführende Gesteinsschichten. „Man darf sich das nicht so vorstellen wie eine große Höhle, in die das CO₂ geleitet wird“, sagt Brunner.

Beim dänischen Projekt Greensand passiert beispielsweise Folgendes: Das Treibhausgas wird unter dem Meeresgrund der Nordsee in porösen Sandstein geleitet. Das Sediment sauge das Gas auf „wie ein Schwamm“, so beschreibt es der Umweltwissenschaftler. Es setzt sich in die Poren, aber nicht vollständig. Das restliche CO₂ treibt auf und reagiert mit dem salzigen Meerwasser zu Kohlensäure. „Es ist eine der sichersten und dauerhaftesten Methoden, CO₂ zu speichern, die wir kennen“, sagt Brunner.

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CCS-Technik birgt Umweltrisiken

Dennoch warnt das Umweltbundesamt vor Umweltrisiken. Zum einen könnten die unterirdischen CO₂-Speicher jederzeit leckschlagen. Tritt das Treibhausgas aus, kann es Schadstoffe im Untergrund freisetzen und salzige Grundwässer verdrängen, die dann schlimmstenfalls bis an die Erdoberfläche aufsteigen, wo sie das Grundwasser, Böden und Oberflächengewässer versalzen. Zum anderen können sich die oberirdischen Anlagen, die es braucht, um das CO₂ in den Boden zu leiten, negativ auf die Ökosysteme auswirken. Brunner sieht aber noch ein anderes Risiko: Die CCS-Technik kann seismische Aktivitäten verursachen, vor allem, wenn sie in geologischen Stresszonen eingesetzt wird. Das müsse bei der Standortwahl berücksichtigt werden.

Auch an Land lässt sich CO₂ speichern. Das sei jedoch mit „ein paar Risiken“ verbunden, die es im Meer nicht gebe, sagte Klaus Wallmann, Geologe vom Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, dem „Handelsblatt“. Zum Beispiel könne die unterirdische CO₂-Speicherung das Trinkwasser beeinträchtigen. „Zudem können Leckagen am Meeresboden leichter nachgewiesen werden als an Land.“

Klimaschutzeffekt hängt von verschiedenen Faktoren ab

Ganz unproblematisch ist die CCS-Technik also nicht. Eine zwingende Voraussetzung sei deshalb ein Monitoring, eine regelmäßige Überwachung des Verfahrens, heißt es vom Umweltbundesamt. Dafür mangele es jedoch an der notwendigen Technik. Doch nur wenn das CO₂ dauerhaft und vollständig in den Speichern verbleibt, kann es im Kampf gegen den Klimawandel wirklich helfen.

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Am Ende sind es drei Faktoren, die darüber entschieden, inwieweit die CCS-Technik zum Klimaschutz beitragen kann: die Technik, die geologischen Gegebenheiten und die Speicherkapazitäten. „Die Technik, die ist da“, sagt Brunner. CO₂ aus Abgasen abzuscheiden, sei schon seit Jahren möglich. Aus Sicht des Umweltwissenschaftlers stellt vor allem der Transport des CO₂ eine Herausforderung dar. Solange es dafür keine Pipelines gibt, sei der Transport recht aufwendig. Am besten wäre es also, wenn der Ort, wo das Treibhausgas entnommen wird, und der CO₂-Speicher dicht beieinander wären. „Die Schwierigkeit ist, dass wir das jetzt alles aufbauen müssen.“

CCS-Technik ist mit hohen Kosten verbunden

Dort, wo nicht gerade zufällig die Infrastruktur alter Ölbohrprojekte vorhanden ist, bedeutet die CCS-Technik vor allem eines: hohe Kosten. „Das Ganze ist nicht gratis“, merkt Brunner an. CO₂ abzuscheiden und zu speichern, koste seinen Angaben zufolge zwischen 100 und 200 Euro pro Tonne.

Würden Kohle- oder Gaskraftwerke mit der CCS-Technik nachgerüstet, wären sie nicht mehr konkurrenzfähig. Brunner verweist auf Anlagen in den USA, die von staatlichen Fördergeldern profitierten, um die CCS-Technik nutzen zu können. Ohne diese Finanzspritzen mussten die Werke wenig später wegen zu hoher Kosten schließen. Der Umweltwissenschaftler ist deshalb überzeugt: „Wenn wir sagen würden, alle bestehenden Kohle- und Gaskraftwerke in Europa können weiterbetrieben werden, aber nur mit CCS, glaube ich, würden wir viel schneller zu erneuerbaren Energien wechseln.“

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