Klimaverlierer Afrika: der Kontinent, der unbewohnbar wird
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Menschen aus Mosambik stehen vor ihren zerstörten Hütten. In Afrika könnte es in Zukunft häufiger Überschwemmungen oder schlimme Stürme geben.
© Quelle: Tsvangirayi Mukwazhi/AP/dpa
Die Nairobi-Erklärung ist ein historisches Dokument. Es ist das Ergebnis des ersten afrikanischen Klimagipfels, bei dem die Staats- und Regierungschefs der 54 Staaten Afrikas darüber beraten haben, was sie dazu beitragen können, um den Klimawandel zu stoppen, mit welchen Forderungen sie an der Weltklimakonferenz im November in Dubai teilnehmen wollen.
In dem Abschlussdokument geht es vor allem um eines: ums Geld. „Wir fordern faire Bedingungen für unsere Länder, damit sie Zugang zu den Investitionen erhalten, die sie benötigen, um ihr Potenzial freizusetzen und in Chancen zu verwandeln“, sagte Kenias Präsident William Ruto. Zum Beispiel wollen die afrikanischen Staaten das globale Finanzsystem weitreichend ändern und die erneuerbaren Energien mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft ausbauen. Auch eine globale CO₂-Steuer auf den Handel mit fossilen Brennstoffen, die Schifffahrt und den Luftverkehr schlagen sie vor.
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So will Afrika ein „grünes Wachstum“ erzielen – und gleichzeitig der Welt dabei helfen, den Klimawandel auszubremsen. Afrika habe „sowohl das Potenzial als auch den Ehrgeiz, ein wesentlicher Bestandteil der globalen Lösung für den Klimawandel zu sein“, heißt es in der Nairobi-Erklärung.
Afrika setzt kaum Treibhausgase frei
Afrikas Ambitionen sind ehrenwert und vernünftig; aber am Ende werden sie wohl nur wenig gegen die Klimakrise ausrichten können.
Schließlich ist Afrika der Kontinent, der am wenigstens zu den globalen Treibhausgasemissionen beiträgt, also auch am wenigsten dem Klima schadet. Weniger als fünf Tonnen CO₂-Äquivalente pro Kopf hat Afrika im Jahr 2019 emittiert, wie aus dem sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) hervorgeht. Zum Vergleich: Nordamerika produzierte im gleichen Jahr mehr als 15 Tonnen CO₂-Äquivalente pro Kopf – also in etwa das Dreifache. Es ist somit eigentlich vor allem Aufgabe der reichen Industriestaaten, das Klima zu schützen.
Denn dass Europa, Nordamerika oder Australien ungebremst Treibhausgase in die Luft pusten, hat Folgen am anderen Ende der Welt. Zum Beispiel in Afrika. Der Kontinent trägt zwar nur wenig zur Klimakrise bei, nimmt aber den größten Schaden.
Hitzewellen nehmen zu
Der Klimawandel verschlechtert die Lebensbedingungen in Afrika dramatisch. Die Menschen dort leben und arbeiten bei immer höheren Temperaturen, die sie krank machen sowie ihre Ernten und damit ihre Nahrungsgrundlagen vernichten. Selbst bei einer globalen Erwärmung von 1,6 Grad Celsius (die nach Einschätzung von Fachleuten längst nicht mehr realistisch ist) würde etwa Westafrika jährlich zwischen 50 und 150 Tage mit einer potenziell tödlichen Hitzewelle erleben.
Je mehr sich die Erde erwärmt, desto wahrscheinlicher werden diese andauernden, gefährlichen Hitzewellen. Das Gesundheitsrisiko steigt – auch, weil sich zusätzlich Krankheiten wie das Dengue-Fieber oder Malaria besser verbreiten können. Mücken, die die jeweiligen Erreger auf den Menschen übertragen, haben bei höheren Temperaturen bessere Überlebenschancen und können sich besser vermehren. Millionen Menschen, vor allem in West-, Ost- und Südafrika, könnten erkranken.
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Alle Entwicklungen zum Extremsommer
Besonders in diesem Sommer zeigen sich die Auswirkungen der Klimakrise. In Nordamerika und Ostasien zogen die nächsten schweren Stürme auf, in mehreren Ländern wüteten Waldbrände. Nun gab es heftige Regenfälle und Überflutungen auch in Europa. Ein Liveblog zu den weltweiten Entwicklungen.
Kampf ums Wasser verstärkt sich
Mit der Hitze kommt bekanntlich auch die Trockenheit. „Die Häufigkeit meteorologischer Dürren wird zunehmen“, prognostiziert der IPCC, „und die Dauer wird sich in Teilen Nordafrikas, der westlichen Sahelzone und im südlichen Afrika von etwa zwei Monaten auf vier Monate verdoppeln.“ Das bedeutet kurzgefasst: weniger Wasser – für Menschen, Tiere und Pflanzen.
Dabei ist Wasser schon jetzt eine knappe Ressource in Afrika. Zwischen 2020 und 2022 hatten mehr als 400 Millionen Menschen auf dem Kontinent keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, hatte das Kinderhilfswerk Unicef im vergangenen Jahr gewarnt. Noch mehr Menschen fehlt es an sanitären Einrichtungen.
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Kinder stehen an einer Wasserstelle in Niger. Der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist auf dem afrikanischen Kontinent nicht überall gewährleistet.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Wird das Wasser mit dem Klimawandel zunehmend knapper, könnte das zur Folge haben, dass mehr Menschen sterben, weil sie verdursten. Gleichzeitig könnte ein noch größerer Kampf um die begrenzte Ressource entstehen. Das übrig gebliebene Wasser müsste dann für fast 4,5 Milliarden Menschen reichen. So viele sollen nach Berechnungen der Vereinten Nationen Ende dieses Jahrhunderts auf dem Kontinent leben.
Wichtigster Wirtschaftszweig in Gefahr
Besser mit der Wasserknappheit umgehen können Pflanzen. Der IPCC schreibt in seinem Bericht über eine große Widerstandsfähigkeit der Vegetation, die sich nach Trockenphasen relativ schnell wieder erhole. „Allerdings hat die Widerstandsfähigkeit ihre Grenzen.“ Auch Pflanzen können nicht dauerhaft ohne Wasser auskommen.
Eigentlich müssten die afrikanischen Landwirtinnen und Landwirte ihre Felder in Zukunft also deutlich mehr beregnen. Doch vielen von ihnen fehlt dafür das Geld und/oder die Technik. 95 Prozent der Ackerflächen in Afrika werden daher mit Regenwasser bewirtschaftet.
Ohne Niederschläge drohen in der Landwirtschaft hohe Verluste. Der Wirtschaftszweig ist schon jetzt geschwächt: „Das landwirtschaftliche Produktivitätswachstum ist aufgrund des Klimawandels seit 1961 um 34 Prozent zurückgegangen, mehr als in jeder anderen Region“, berichtet der Weltklimarat. Selbst, wenn die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzt wird, würden die Ernteverluste rasch steigen.
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Eine Frau steht in Kenia auf einem verdorrten Maisfeld. Solche Ernteausfälle könnten durch die zunehmende Trockenheit häufiger auftreten.
© Quelle: Dong Jianghui/XinHua/dpa
Eine geringere Nahrungsmittelproduktion hätte gleich mehrere Folgen: Erstens würde sich die Ernährungssicherheit auf dem Kontinent weiter verschlechtern; zweitens könnten weniger Lebensmittel an andere Länder verkauft werden, was der afrikanischen Wirtschaft weiter zusetzen würde; und drittens könnten viele Beschäftigte in der Landwirtschaft ihren Beruf verlieren – und damit schlimmstenfalls ihre Existenz. Allein südlich der Sahara sind 55 bis 62 Prozent der Menschen in der Landwirtschaft tätig.
Wärmere Meere, weniger Fische
Auch die Fischerei ist vom Klimawandel bedroht. Denn die Erderwärmung macht sich nicht nur an Land, sondern auch unter Wasser bemerkbar. Legt die globale Durchschnittstemperatur auf drei Grad Celsius zu, werden sich die Meeresoberflächentemperaturen rund um Afrika voraussichtlich um 1,3 bis zwei Grad Celsius erhöhen.
Die Hitzewellen bedrohen das marine Ökosystem. Je wärmer die Meere werden, desto geringer wird der Sauerstoffgehalt. Korallenriffe bleichen aus und sterben ab, toxische Algenblüten können entstehen, die die Meerestiere vergiften. Fischbestände verlassen die warmen Meeresregionen und wandern in kältere Gewässer ab, weshalb sich die Fangquoten verringern. Bei einer globalen Erwärmung von 4,3 Grad Celsius im Zeitraum von 2081 bis 2100 könnte das Fangpotenzial um 12 bis 69 Prozent im Vergleich zu den Werten von 1986 bis 2005 zurückgehen, warnt der IPCC.
Starkregen droht
Doch es ist nicht nur die zunehmende Hitze und Trockenheit, die zur Gefahr für Afrika wird. In einzelnen Regionen des Kontinents drohen auch die gegenteiligen Wetterextreme: starke Regenfälle und Überschwemmungen.
Wenn sich die Luft durch den Klimawandel erwärmt, ist sie in der Lage, mehr Feuchtigkeit aufzunehmen. Das führt dazu, dass auch mehr Niederschläge möglich sind. Außer im Norden und Südwesten Afrikas nehme das Risiko für Starkregenereignisse überall zu, je weiter der Klimawandel voranschreitet, heißt es im IPCC-Bericht.
Mit tropischen Wirbelstürmen könnten zudem mehr Niederschläge hinzukommen. Diese gewaltigen Stürme würden zwar im östlichen und südlichen Afrika mit der Zeit seltener werden, prognostiziert der Weltklimarat. Wenn sie aber auftreten, dann mit höheren Windgeschwindigkeiten und in Verbindung mit noch stärkerem Regen. Die Wirbelstürme haben gleichzeitig das Potenzial, Landschaften zu verwüsten, indem sie Bäume und Ackerpflanzen entwurzeln, Häuser zu zerstören und Menschenleben zu gefährden.
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Der Sommer 2023 war global gesehen der mit Abstand heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen 1940.
© Quelle: dpa
So groß ist der wirtschaftliche Schaden durch den Klimawandel
Mehr als 110 Millionen Menschen in Afrika waren im vergangenen Jahr direkt von wetter-, klima- und wasserbedingten Gefahren betroffen. Das zeigt ein neuer Bericht der Weltwetterorganisation (WMO). Die wirtschaftlichen Schäden beliefen sich auf mehr als 8,5 Milliarden US-Dollar.
„Angesichts der hohen Gefährdung, der Fragilität und der geringen Anpassungsfähigkeit Afrikas werden die Auswirkungen des Klimawandels voraussichtlich noch stärker zu spüren sein“, schreibt Josefa Leonel Correia Sacko, Kommissarin der Afrikanischen Union für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, nachhaltige Wirtschaft und Umwelt, in dem Bericht. „Die Gesundheit der Menschen, der Frieden, der Wohlstand, die Infrastruktur und andere wirtschaftliche Aktivitäten in vielen Bereichen in Afrika sind erheblichen Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel ausgesetzt.“
Klimafolgenforschung ist limitiert
Wie groß diese Risiken genau sind, können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für einige Teile des Kontinents nur schätzen. Denn die Datenlage ist alarmierend: In vielen Ländern mangele es an regelmäßig berichtenden Wetterstationen, erklärt der IPCC. Insbesondere in Nord- und Zentralafrika gebe es kaum Forschung zu Wetterextremen und ihrem Zusammenhang mit dem Klimawandel.
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Wird die Gebäudeversicherung in Deutschland bald unbezahlbar?
Dürren, Überschwemmungen und Tornados – spezielle Versicherungen gegen Naturgefahren im Klimawandel dürften für Hausbesitzer und Unternehmen immer wichtiger werden. Doch die finanziellen Bedingungen verschärfen sich. Droht gar ein Wegfall wie in manchen Regionen der USA?
Das liegt auch daran, dass die finanzielle Unterstützung fehlt: Von 1990 bis 2019 habe die Afrikaforschung gerade einmal knapp 4 Prozent der klimabezogenen Forschungsgelder erhalten, heißt es im Sachstandsbericht des Weltklimarats. Ohne die nötige Forschung wird es für Afrika schwierig, sich an die Klimakrise anzupassen.
Wie sich Afrika an den Klimawandel anpassen kann
„Es gibt große Lücken in der Wetterbeobachtung in Afrika und die Frühwarndienste sind völlig unzureichend“, erklärt Petteri Taalas, Generalsekretär der WMO. „Wir sind entschlossen, diese Lücken zu schließen und sicherzustellen, dass lebensrettende Frühwarnungen jeden erreichen.“ Frühwarnsysteme könnten zum Beispiel rechtzeitig vor heranziehenden Tropenstürmen warnen, sodass sich die Menschen in Sicherheit bringen können.
Um sich gegen den Klimawandel zu rüsten, muss sich auch die Landschaft verändern. Wälder und Feuchtgebiete müssen renaturiert und aufgeforstet werden, um besser CO₂ binden zu können und vor Überschwemmungen zu schützen. Für die Landwirtinnen und Landwirte empfiehlt der Weltklimarat eine konservierende Landwirtschaft. Heißt: Ackerflächen sollten nicht mehr umgepflügt, sondern die Pflanzenreste auf dem Feld gelassen werden, wo sie als natürliche Dünger und Nährstofflieferanten dienen und den Boden vor Erosion schützen.
Ohne diese Anpassungsmaßnahmen drohen noch höhere Schäden. Je nach Grad der globalen Erwärmungen könnten sie sich auf 290 bis 440 Milliarden US-Dollar belaufen, hat das African Climate Policy Centre der Wirtschaftskommission für Afrika ausgerechnet. „Afrika hat sich, wie andere Regionen auch, mit der Tatsache abgefunden, dass der Klimawandel bereits im Gange ist“, sagte Botschafterin Sacko. „Bleibt er ungebremst, werden die kommenden Jahrzehnte und Jahre leicht von schwerem klimabedingtem Druck auf die Wirtschaft, die Lebensgrundlagen und die Natur des Kontinents geprägt sein.“
Klimaverlierer sollen von Entschädigungsfonds profitieren
Die Industriestaaten haben bereits finanzielle Hilfen zugesagt, um Afrika klimawandelresilient zu machen. Für Südafrika sind in den kommenden fünf Jahren 8,5 Milliarden US-Dollar – also knapp 8,5 Milliarden Euro – an Unterstützung vorgesehen, die Deutschland, Großbritannien, Frankreich, die Europäische Union und die USA bereitstellen.
Seit 2020 haben sich die Industriestaaten zudem verpflichtet, für Klimaprojekte im globalen Süden jährlich 100 Milliarden US-Dollar aufzubringen. Eingehalten haben sie dieses Versprechen bislang aber nicht. UN-Klima-Chef Simon Stiell forderte deshalb die „sofortige“ Zahlung des zugesagten Milliardenbetrags.
Auf der Weltklimakonferenz im vergangenen Jahr hatten die teilnehmenden Staaten zusätzlich einen Entschädigungsfonds beschlossen. Aus ihm sollen ärmere Länder Ausgleichszahlungen erhalten, wenn sie von klimabedingten Zerstörungen betroffen sind. Konkrete Summen wurden jedoch nicht genannt.