Alternativen zum E-Antrieb: Wie lässt sich klimaneutraler Kraftstoff herstellen?

Für kurze Strecken gibt es Experten zufolge nichts Besseres als Elektromobilität. Aber auch klimaneutrale Kraftstoffe könnten den Weg in die Zukunft weisen.

Für kurze Strecken gibt es Experten zufolge nichts Besseres als Elektromobilität. Aber auch klimaneutrale Kraftstoffe könnten den Weg in die Zukunft weisen.

Bei der Verbrennung von Kraftstoffen wird das Treibhausgas Kohlendioxid (CO₂) frei, weshalb Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zum Klimawandel beitragen. Was wäre aber, wenn dieses CO₂ bei der Herstellung des Kraftstoffs aus der Luft entnommen worden wäre? Und wenn für den Produktionsprozess ausschließlich erneuerbare Energien verwendet würden? Dann wäre der Kraftstoff klimaneutral, denn bei der Verbrennung würde nur so viel CO₂ frei, wie zuvor aus der Luft extrahiert wurde. Die Technik dazu gibt es schon seit einigen Jahren, jetzt versuchen Wissenschaft und Industrie, sie auch wirtschaftlich zu machen.

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Die Beteiligten verstehen die klimaneutralen Kraftstoffe nicht als Versuch, den Verbrennungsmotor bei Pkws länger zu nutzen. „Die Elektromobilität hat bei Porsche weiter höchste Priorität“, unterstreicht Peter Gräve, Pressesprecher der Porsche AG in Stuttgart. Im Straßenverkehr sieht das Unternehmen klimaneutrale Kraftstoffe als Ergänzung zum Elektroantrieb an, sollten sie einmal in größeren Mengen und zu wirtschaftlichen Preisen verfügbar sein.

Klimafreundliche Kraftstoffe statt E-Antrieb für Flugzeuge und Schiffe?

Beim Luft- und Seeverkehr ist ein reiner Elektroantrieb derzeit kaum bis gar nicht denkbar.

Reinhard Herbener, Umweltbundesamt

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Reinhard Herbener vom Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau weist darauf hin, dass elektrische Antriebe um ein Mehrfaches energieeffizienter sind als Verbrenner, aber auf absehbare Zeit nicht in allen Verkehrsbereichen eingesetzt werden können: „Beim Luft- und Seeverkehr ist ein reiner Elektroantrieb derzeit kaum bis gar nicht denkbar.“ Während sich abzeichne, dass klimafreundlichere Kraftstoffe im Luftverkehr mit dem heutigen Kerosin vergleichbar sein werden, sei der künftige Treibstoff bei Seeschiffen noch unklar. In einem Roadmap-Projekt erarbeitet Herbener einen Fahrplan, um 2050 Methanol als Schiffskraftstoff global einsetzen zu können.

Methanol (CH3OH) kann durch die Nutzung von erneuerbaren Energien „grün“, also auf klimaneutrale Weise hergestellt werden. Es kann zum einen selbst als Kraftstoff verwendet werden. Zum anderen ist die Flüssigkeit ein sehr guter Speicher für Wasserstoff, der klimaneutral erzeugt werden kann. Wasserstoff gilt als Kraftstoff der Zukunft, die Bundesregierung fördert entsprechende Technologien in ihrer Wasserstoffstrategie.

Klimaneutrales Methanol für die Herstellung

Allerdings benötigt reiner Wasserstoff als Gas sehr viel mehr Raum als ein flüssiger Kraftstoff. Deshalb muss er für den Transport vom Erzeuger zum Verbraucher entweder auf einen sehr hohen Druck komprimiert werden. Oder er muss auf die sehr niedrige Temperatur von minus 252 Grad Celsius abgekühlt werden, damit er als Flüssigkeit in Kryogentanks gespeichert werden kann. Beide Verfahren sind sehr energieaufwendig und benötigen extrem gut isolierte Behälter. Mit Methanol als Speichermedium können diese Probleme umgangen werden.

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Klimaneutrales Methanol stellt der Chemieingenieur Peter Wasserscheid von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bereits in kleinen Mengen her. Eine Herausforderung dabei: Die klassische Methanolherstellung benötigt eine konstante Energiezufuhr, die Energieausbeute von Solar- und Windkraft schwankt allerdings stark, in Abhängigkeit von Wetter und Tageszeit. Wasserscheid, sein Team und drei Forscher der Siemens AG haben den Herstellungsprozess so robust gemacht, dass die Anlage auch bei schwankender Energiezufuhr sehr effizient läuft.

Wasserscheid geht davon aus, dass „grüner“ Wasserstoff künftig dort hergestellt wird, wo erneuerbarer Energien im Überfluss vorhanden sind. Chemisch gebunden kann er dann als Methanol oder in Form von anderen flüssigen Speicher- und Kraftstoffen nach Deutschland importiert werden.

Klimaneutraler Kraftstoff in der Pilotphase

Siemens Energy ist bereits dabei, eine solche Prozess- und Handelskette aufzubauen. Gemeinsam mit AME Energy Chile, Porsche sowie dem italienischen Energieunternehmen Enel und dem chilenischen Mineralölunternehmen ENAP treibt Siemens Energy derzeit das Pilotprojekt „Haru Oni“ in Chile voran. Daraus wird nach Angaben der Betreiber die weltweit erste integrierte und kommerzielle Großanlage zur Herstellung synthetischer, klimaneutraler Kraftstoffe (E-Fuels) entstehen. Schon im kommenden Jahr sollen dort 130.000 Liter dieser Kraftstoffe hergestellt werden, 2024 sollen es 55 Millionen Liter und 2026 550 Millionen Liter sein. Hauptabnehmer der klimaneutralen Kraftstoffe in der Pilotphase wird Porsche sein.

„Haru Oni“ nutzt den Umstand aus, dass in Chiles südlichster Region Magallanes an etwa 270 Tagen im Jahr starker Wind weht. Windkraftanlagen kommen dort auf eine durchschnittliche Auslastung von 74 Prozent – in Deutschland sind es nur etwa 18 Prozent. Wegen der in Chile sehr geringen Kosten für erneuerbare Energien, ist die Nutzung der Windkraft wirtschaftlich. Der damit erzeugte Strom wird für die Herstellung von Methanol aus Wasserstoff und CO₂ genutzt. Dazu muss zum einen Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten werden, zum anderen muss CO₂ aus der Luft gefiltert werden. Beide Prozesse sind sehr energieintensiv.

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Batteriesysteme verbrauchen auch Ressourcen

Die Nutzungseffizienz des in Chile erzeugten klimaneutralen Kraftstoffs erreicht nach Angaben von Porsche einen ähnlichen Wert wie die Nutzungseffizienz von Elektrofahrzeugen mit Strom aus deutschen Windkraftanlagen. Dabei sei der Transport des Kraftstoffs vom Süden Chiles nach Deutschland schon einkalkuliert. Berechnungen der Nutzungseffizienz sind allerdings komplex. Reinhard Herbener vom Umweltbundesamt verweist auf Berechnungen der Denkfabrik Agora Energiewende: Wenn man von erneuerbar erzeugtem Strom als 100 Prozent ausgeht, dann kommt ein Fahrzeug mit Elektromotor auf einen Gesamtwirkungsgrad von 69 Prozent, ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor jedoch nur auf 13 Prozent. Bernd Meyer, Institutsdirektor an der TU Bergakademie Freiberg, hält dieser Rechnung wiederum entgegen, dass der große Ressourcenverbrauch für das Batteriesystem von Elektrofahrzeugen nicht berücksichtigt werde.

Meyer arbeitet ebenfalls an Technologien zur Umwandlung von Methanol in synthetische Kraftstoffe. In Zusammenarbeit mit dem Chemieanlagenbau Chemnitz entwickelt, läuft im sächsischen Freiberg in einer Großversuchsanlage bereits die Benzinsynthese aus grünem Methanol. Um die aus technischer, wirtschaftlicher und ökologischer Sicht vorteilhafteste Gesamtprozessroute für die Herstellung von klimaneutralen Kraftstoffen zu identifizieren, hat sich sein Institut mit mehreren Partnern aus Industrie und Forschung zum Projekt „InnoSynfuels“ zusammengetan. Denn nach Meyers Auffassung müssen Elektromobilität und Wasserstoffmobilität um grüne Kraftstoffe ergänzt werden. „Ohne diese wird die CO₂-neutrale Mobilität nicht gelingen“, betont Meyer.

Energiewende wird gefördert

Einen Wirkungsgrad von 60 Prozent bei der Herstellung klimaneutraler Kraftstoffe kann theoretisch eine Prozesskette erreichen, die am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erprobt wird. In einem Projekt, das vom Bundesforschungsministerium im Rahmen der Kopernikus-Projekte für die Energiewende gefördert wird, haben sich vier Partner zusammengetan. Sie wollen die chemisch-technischen Prozesse so verbessern, dass am Ende 60 Prozent des eingesetzten Ökostroms als chemische Energie im Kraftstoff gespeichert sind.

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Zu Beginn filtert die Firma Climeworks, die aus der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich ausgegründet wurde, CO₂ aus der Luft. Sie verwendet dafür ein Kreislaufverfahren, bei dem CO₂-Moleküle von einem Filter festgehalten werden. Im Vakuum und bei einer Temperatur von 95 Grad Celsius löst sich das CO₂ aus dem Filter und kann hochrein gewonnen werden. Im nächsten Schritt erzeugt die Firma Sunfire GmbH aus Dresden Wasserstoff und Kohlenmonoxid, die Bestandteile eines Synthesegases werden. Das Besondere ist dabei, dass dies in einem einzigen Prozess – der sogenannten „Ko-Elektrolyse“ - aus CO₂ und Wasserdampf geschieht.

Das Besondere an dieser Technologie ist, dass sie aus modularen Einheiten besteht und überall in der Welt eingesetzt werden kann.

Roland Dittmeyer, Institutsdirektor am KIT

Der dritte Schritt ist die fast 100 Jahre alte Fischer-Tropsch-Synthese, in der aus dem Synthesegas Kohlenwasserstoffe verschiedenster Kettenlängen entstehen. Die Firma Ineratec, aus dem KIT ausgegründet, hat den Prozess optimiert: Die Mikrostrukturen des Reaktors leiten die Prozesswärme gut ab, sie kann dann für die anderen Prozessschritte verwendet werden. Schließlich sorgt eine Arbeitsgruppe des KIT dafür, dass die langkettigen Kohlenwasserstoffe in kürzere, für Kraftstoffe geeignete Ketten unterteilt werden. Laut Projektkoordinator Roland Dittmeyer, Institutsdirektor am KIT, ist das Hauptzielprodukt der Flugzeugtreibstoff Kerosin.

„Das Besondere an dieser Technologie ist, dass sie aus modularen Einheiten besteht und überall in der Welt eingesetzt werden kann“, sagt Dittmeyer. Noch sind es nur etwa zehn Liter Kraftstoff am Tag, die in der containergroßen Forschungsanlage entstehen. Eine aktuell durchgeführte Skalierung zu einer verknüpften Pilotanlage im Energy Lab 2.0 am KIT soll die Menge bis Ende 2022 auf 200 Liter erhöhen. Bis 2025 soll die Technologie dann bis zum vorindustriellen Stadium gebracht werden und in einer Einheit etwa 2000 Liter Kraftstoff täglich produzieren.

Dennoch befürwortet auch Dittmeyer elektrische Antriebe: „Für kurze Strecken gibt es nichts Besseres als Elektromobilität.“ Er fordert aber, dass die Politik klimaneutrale Kraftstoffe als „grüne Lösung“ anerkennt und gesetzlich so behandelt. Noch kostet klimaneutraler Kraftstoff nach Angaben von Porsche etwa zehn Dollar (8,30 Euro) pro Liter in der Herstellung. Doch die Beteiligten gehen davon aus, dass der technologische Fortschritt diese Kosten in den kommenden Jahren deutlich sinken lassen wird. Angesichts absehbar steigender Preise für den Ausstoß von fossilem CO₂ kann der Kraftstoff konkurrenzfähig werden.

RND/ dpa

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