DWD-Meteorologe zum Unwetter: „Wir waren nicht überrascht“

Hochwasser in Schuld Rheinland-Pfalz Landkreis Ahrweiler.

Hochwasser in Schuld Rheinland-Pfalz Landkreis Ahrweiler.

Nach dem Unwetter bleiben viele Fragen: Wurde rechtzeitig gewarnt und hätten andere Schutzmaßnahmen noch geholfen? Werden die Warnungen des Deutschen Wetterdienstes ernst genug genommen? Und wird es in Zukunft häufiger solch extreme Ereignisse geben – und wenn ja, wo in Deutschland?

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Im RND-Gespräch erklärt Andreas Friedrich, Tornadobeauftragter und Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD), wie die Behörde bei solchen Katastrophenlagen arbeitet – und wieso die Auswirkungen so großer Niederschlagsmengen sehr stark von der jeweiligen Region in Deutschland abhängen.

Herr Friedrich, hat Sie als Wetterprofi das Ausmaß des Unwetters im Westen Deutschlands überrascht?

Nein, wir als Meteorologen waren nicht überrascht. Der Deutsche Wetterdienst hat sehr gute Modellvorhersagen vorliegen gehabt und bereits am Montagmorgen (Anm. der Red.: 12. Juli) eine erste Unwettervorabinformation herausgegeben, wo drinstand, dass ab Donnerstag in den westlichen Gebieten Deutschlands bis zu 200 Liter Regen fallen können. Am Dienstag haben wir dann nach einer Bestätigung durch die Modelle eine extreme Unwetterwarnung herausgegeben – genau für die Regionen, die nun auch wirklich stark betroffen sind.

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Sind gefallene Niederschlagsmengen denn schwer zu bestimmen?

Nein, das lässt sich exakt berechnen. Wir haben ein Radarverbundsystem, wo wir mit 17 Geräten lückenlos genau sehen, wo in Deutschland es gerade wieviel regnet. Die Daten zeigen, dass es im Streifen von Wuppertal, Hagen, Ruhrgebiet bis hin in die Eifel rund 100 und punktuell bis zu 200 Liter Regen gegeben hat.

Was ist zu tun bei so einer Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes?

Gegen solche Niederschlagsmengen kann man nicht vollständig geschützt sein. Sicherlich kann man aber Vorsorgemaßnahmen treffen. Wir beliefern die Warn-Apps: die vom DWD, KAT-Warn, Nina. Die Katastrophenleitstellen bekommen von uns als Behörden die Wetterwarnungen für ihre entsprechenden Gemeinden und Landkreise und setzen dann ihre Krisenstäbe ein. Dort wird entschieden, ob beispielsweise evakuiert wird. Auch die Hochwasserzentralen mit den Hydrologen müssen mit ins Boot geholt werden, die dann die Pegel für die Flüsse berechnen. Dafür ist der Deutsche Wetterdienst nicht zuständig.

Dieser Trend der Temperaturerwärmung geht weiter. Das Wetter wird also auch extremer werden.

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Hängen solche extremen Wetterphänomene mit dem Klimawandel zusammen?

Die Häufigkeit von Starkregenereignissen mit mehr als 25 Liter Regen hat in Deutschland in den letzten 20 Jahren zugenommen, das zeigt eine Auswertung unserer Daten. Das kann man zum einen auf die bereits vorhandene Klimaerwärmung zurückführen.

Außerdem hat sich in den letzten Jahren der Jetstream, also ein Starkwindband in zehn Kilometer Höhe, abgeschwächt. Tiefdruckgebiete wie „Bernd“ bewegen sich dann häufiger nur sehr langsam fort und laden ihre Regenmengen nur über einem Gebiet ab. Das gleiche passiert aber auch mit Hochdruckgebieten. Die Folge sind dann Dürren und Trockenheit. Auch das kann mit dem Klimawandel zusammenhängen, wenngleich die Datenlage dazu noch nicht eindeutig ist.

Klimawandel hängt mit extremen Wetterlagen zusammen

In Zukunft könnte es also durch den fortschreitenden Klimawandel vermehrt zu extremen Wetterlagen kommen?

Dieser Trend der Temperaturerwärmung geht weiter. Das Wetter wird also auch extremer werden. Es wird mehr Hitze geben, 40 Grad und mehr, mit vielen Hitzetoten, die passieren können. Es wird Dürreperioden geben, die die Landwirtschaft und Industriezweige schwer treffen kann. Und wenn so ein Tiefdruckgebiet kommt, das nicht unbedingt häufiger entsteht, aber wenn, dann heftiger, gibt es sehr viel Regen in kurzer Zeit.

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Sind bestimmte Gebiete in Deutschland dafür mehr anfällig als andere?

Überall in Deutschland kann das Wetterphänomen passieren. Die Frage ist aber, wie stark die Auswirkungen sind, und das hängt stark von der jeweiligen Region ab. Ende Juni gab es zum Beispiel ein ähnliches Unwetterereignis wie jetzt im Westen. Das war in der Uckermark. Dort sind auch innerhalb weniger Stunden rund 200 Liter Regen gefallen. Nur ist dort viel weniger passiert.

Wieso?

In Mecklenburg-Vorpommern mit sandigem Boden und ebenerdigem Gelände versickert der Regen. Im Ruhrgebiet und in der Eifel gibt es hügeliges Gelände mit kleinen Flüssen, die sich blitzschnell mit Sturzfluten füllen und Erdrutsche auslösen können. Die Auswirkungen hängen also immer sehr stark von der Region ab. Die Politik vor Ort muss sich darauf vorbereiten und entscheiden, ob man Dämme und Rückhaltebecken baut oder Versiegelungen der Flächen wieder aufhebt zum Beispiel. Alle Folgen kann man aber nicht verhindern.

Als Meteorologe würde ich empfehlen, das Haus zu verlassen, in einen höheren Ortsteil gehen und lieber darauf zu verzichten, noch schnell Hab und Gut retten zu wollen.

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Nun hat sich gezeigt, wie schnell das Wasser kommen kann. Was sollte jeder und jede beachten bei solchen Unwetterwarnungen?

Wenn eine Unwetterwarnung mit 200 Liter Regen ausgesprochen wird, sollte man das wirklich ernst nehmen und nicht glauben, dass da wohl nichts passieren wird. Als Meteorologe würde ich empfehlen, das Haus zu verlassen, in einen höheren Ortsteil gehen und lieber darauf zu verzichten, noch schnell Hab und Gut retten zu wollen. Und wenn es dann doch nicht so schlimm gekommen ist wie prognostiziert – oder man im Gegensatz zum Nachbarkreis verschont geblieben ist – hat man eben Glück gehabt.

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