So verwerten Sie Gemüse vom Blatt bis zur Wurzel
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Wer Gemüse kocht, füllt automatisch seinen Biomüll. Dabei ist nicht alles, was weggeschmissen wird, auch Abfall.
© Quelle: Bonchan/Getty Images/iStockphoto
Es knackt beim Reinbeißen, es schmeckt süß und nach Sommer: Eine zarte Karotte, frisch geerntet aus dem eigenen Garten schmeckt einfach köstlich. Der grasgrüne Blattstrunk dagegen, der mit der orangefarbenen Wurzel um die Wette leuchtet, ist allenfalls ein Leckerbissen für Kaninchen. Oder? Wer gängige Essmuster hinterfragt, bringt Abwechslung in den eigenen Speiseplan und entdeckt kulinarische Besonderheiten.
Denn auch das frische Karottengrün riecht angenehm würzig. Warum sollte es also nicht schmecken? Das fragte sich auch die Schweizer Journalistin und Autorin Esther Kern, als sie vor einigen Jahren im Garten Karotten erntete und sich wunderte, warum das Grün stets was für die Biotonne war. Laut einer Abfallstatistik des Statistisches Bundesamts sammelt jede und jeder von uns rund 59 kg Bioabfall. Doch ist jedes einzelne Kilo wirklich Abfall?
Aus „Nose-to-Tail“ wird bei Pflanzen „Leaf-to-Root“
Das Karottengrün lässt Esther Kern nicht los. Es riecht nicht nur gut. Der Geschmack erinnert leicht an Petersilie und Sellerie, doch das Kraut kommt nicht auf den Teller. „Ich begann rumzufragen, erhielt jedoch keine befriedigende Antwort. Manche sagten, sie hätten es einfach immer schon so gemacht. Andere, sie glaubten, dass es giftig sei“, schreibt die Journalistin auf ihrem Blog www.leaf-to-root.com. Inspiriert vom britischen Trend „Nose-to-Tail“, bei dem es um die ganzheitliche Verwertung von Tieren geht, startet sie die Aktion „Leaf-to-Root“. Dabei wird von der Wurzel bis zum Blatt das ganze Produkt verwendet. Die Schweizerin möchte zeigen, dass sich aus Obst- und Gemüseresten köstliche Leckereien zaubern lassen.
Viele leckere Rezepte
Weil viele Obst- und Gemüseteile bislang noch nicht auf jeder Speisekarte stehen, scheint die Zubereitung auf den ersten Blick kniffliger, als ein selbst gemachter Coq au vin. Doch viele Rezeptideen sind kinderleicht und für Anfängerinnen und Anfänger geeignet.
Spargelcremesuppe aus Spargelschalen – so geht es:
Zum Beispiel die Spargelcremesuppe aus Spargelschalen. Den Spargel wie gewohnt waschen und schälen. Anstelle der Stangen spielen aber die Schalen die Hauptrolle: Die Schalen von 500 g Spargel zusammen mit je einem Teelöffel Zucker und Zitronensaft und einem halben Teelöffel Salz in einen Topf geben und mit Wasser bedecken. Das Wasser aufkochen und etwa 10 Minuten köcheln lassen. Den Topf über einem Sieb ausgießen und das Kochwasser auffangen. Einen neuen Topf verwenden und eine Mehlschwitze zubereiten. Dazu 10 g Butter schmelzen, zwei Esslöffel Mehl dazugeben und mit einem Schneebesen gut verrühren. Stück für Stück das Spargelwasser hinzugeben. Immer wieder kräftig rühren, damit keine Klumpen entstehen. Zum Schluss 50 ml Sahne, etwas gehackte Petersilie dazugeben und servieren. Das delikate Süppchen kostet weniger als einen Euro pro Person.
Kohlrabi- und Blumenkohl zu Curry verarbeiten
Auch verschmähte Gemüseblätter eignen sich, je nach Konsistenz, für verschiedene Gerichte. Die Blätter von Kohlrabi oder Blumenkohl schmecken in einem Curry besonders lecker. In etwas Öl und Salz gewälzt, lassen sich aus Kohlrabi- und Radieschenblättern bei 180 °C im Ofen auch knusprige Chips zaubern.
Vitaminbombe undercover – das steckt in Blättern und Schale
Was viele nicht wissen: Blätter, Schale und andere verschmähte Obst- und Gemüseteile sind oft auch richtig gesund. Denn ein Großteil der Vitamine, Ballaststoffe, Mineralstoffe sowie sekundärer Pflanzenstoffe sitzen unter der „Haut“. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Apfel, dessen Schale fünf- bis siebenmal so viel Vitamin C enthält wie sein Fruchtfleisch. Doch damit nicht genug, auch das Gemüsegrün hat einiges zu bieten: Im Möhrengrün beispielsweise steckt mehr Kalzium, als in der Möhre selbst, und Kohlrabi-Blätter übertreffen die Knolle, was ihren Vitamin C- und Vitamin A-Gehalt betrifft.
Nicht alles ist essbar – diese Pflanzenteile meiden Sie besser
Einige Pflanzenteile aber bitte nur mit Vorsicht genießen: Blätter oder der Strunk von Tomaten und Kartoffeln enthalten bitter schmeckendes Solanin, das zu Magenbeschwerden oder Kopfschmerzen führen kann. In den Blättern des Rhabarbers ist oft besonders viel Oxalsäure enthalten, die in hohen Mengen giftig sein kann. Darauf also besser verzichten.
Einige Gemüsearten, wie Rucola und Blattsalate, Spinat, Kohlrabi und Radieschen speichern verhältnismäßig viel Nitrat. Weil Nitrat sich besonders in Stielen, Rispen und äußeren Blättern anreichert, ist der Nitratgehalt bei „Leaf to root“ ein Thema. Denn aus Nitrat bildet sich im Körper Nitrit, das mit anderen Stoffen reagiert. In Tierversuchen haben diese sich als krebserregend erwiesen, für Menschen gibt es noch keine konkreteren Untersuchungen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, langfristig keine großen Mengen an Nitrat aufzunehmen. Die äußeren Blätter von Kohlrabi und Co. daher begrenzt genießen und Bio- und Freilandgemüse bevorzugen. Wer eigenes Gemüse anbaut, erntet am besten abends, denn das Nitrat wird tagsüber durch Lichteinstrahlung abgebaut. Auch durch Blanchieren oder Kochen lässt sich der Nitratgehalt senken, um bis zu 80 %.
Was Pestizidrückstände betrifft, empfiehlt das Bundeszentrum für Ernährung (BzfE) möglichst unbehandelte oder Bio-Lebensmittel zu kaufen, wenn Blätter und Schale mitgegessen werden. Am besten ist natürlich das Gemüse aus dem eigenen Garten oder Balkonkasten.
Zurück zu Esther Kern und dem Möhrengrün. Aus der Aktion „Leaf to Root“ hat sich mittlerweile ein echter Trend entwickelt. Im Netz finden sich zahlreiche Rezepte rund um die ganzheitliche Verwendung von Obst und Gemüse. Wer aus dem Möhrenkraut ein einfaches Pesto zaubert, ist bei der Fülle an Ideen im Netz fast schon langweilig. Denn auch vor besonders exotischen Kreationen wie einem Smoothie aus der Kiwi-Haut oder Pancakes aus Bananenschale wird kein Halt gemacht. Der Trick: Ein Pürierstab verändert die haarige, beziehungsweise gummiartige Konsistenz der Schalen. Zurück bleibt purer Geschmack, statt des vollen Komposteimers.