Vom guten Vorsatz zur Umsetzung: Wie geht eigentlich Nachhaltigkeit?

Zu den guten Vorsätzen fürs neue Jahr gehört für manch einen, nachhaltiger zu leben. Doch was heißt das konkret?

Zu den guten Vorsätzen fürs neue Jahr gehört für manch einen, nachhaltiger zu leben. Doch was heißt das konkret?

Berlin. Zu den guten Vorsätzen fürs neue Jahr gehört für manch einen, nachhaltiger zu leben. Doch was heißt das konkret? Muss ich dafür mit Gewohnheiten brechen? Was bringt es, wenn ich mein Verhalten verändere? Kann ich damit den Klimawandel aufhalten? Wenigstens ein kleines bisschen? Einige Antworten auf schwierige Fragen.

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Was heißt Nachhaltigkeit?

Der Begriff stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und bedeutet, dass nur so viel Holz geschlagen werden darf, wie nachwächst. Heute wird unter Nachhaltigkeit nicht nur die Schonung von Ressourcen verstanden. „Es geht um Umweltaspekte wie Klimaschutz und Biodiversität, aber auch um die soziale Dimension“, sagt Helen Czioska, Expertin für nachhaltige Konsumstrukturen beim Umweltbundesamt (UBA). Gemeint seien alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Ernährung, Mobilität, Konsum und Wohnen, ergänzt Fritz Reusswig vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

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Als wichtigste Messgröße für den Klimaeffekt gilt der CO₂-Fußabdruck, den jeder Mensch hinterlässt. In Deutschland liegt der Kohlendioxidverbrauch aktuell im Schnitt bei gut elf Tonnen im Jahr. Um die Erderwärmung wirkungsvoll aufzuhalten, muss er mittelfristig auf etwa eine Tonne sinken. Der eigene Verbrauch kann mittels eines CO₂-Rechners ermittelt werden. Mehr noch als CO₂ wirken sich Gase wie Methan oder Stickoxid schädlich aufs Klima aus. Auch ihr Ausstoß muss reduziert werden.

Woher wissen wir, was nachhaltig ist?

Die Komplexität des Themas sei ein großes Problem, meint Czioska. „Wir wissen nicht mehr, was hinter einem Produkt steht. Verbraucher sind deshalb oft nicht in der Lage zu entscheiden“, ergänzt Viola Wohlgemuth von Greenpeace. Wer nachhaltig leben möchte, muss sich also gut informieren. Das führe aber immer wieder zu Fehleinschätzungen – nicht zuletzt deshalb, weil viele Firmen Greenwashing betrieben, sagt Reusswig. So entlastet ein Plug-in-Hybrid vielleicht das Gewissen des Käufers, nicht aber die Umwelt. Papiertüten besitzen keine bessere CO₂-Bilanz als Plastiktüten. Und selbst der Bioapfel aus Deutschland weist wegen der erforderlichen Kühlung zumindest zeitweise eine schlechtere Klimabilanz auf als Obst, das mit dem Schiff aus Neuseeland kommt.

Einige bestehende Labels bieten zumindest Orientierung: So steht das Biosiegel für nachhaltige Landwirtschaft, der „Blaue Engel“ unter anderem für schadstoffarme Produkte und der „Grüne Knopf“ für ökologische Produktion und fairen Handel von Bekleidung.

„Wissen ist zentrale Voraussetzung für Menschen, ihr Verhalten zu ändern“, erklärt Mandy Schoßig vom Öko-Institut. Sie wünscht sich deshalb Bildungsangebote für Konsumkompetenz. Information allein genüge allerdings nicht, meint Czioska: „Wir tun oft nicht, was wir wissen.“ Gerade beim Konsum müssten deshalb auch Emotionen und intuitives Handeln angesprochen werden.

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Wie verhalte ich mich nachhaltig?

Bei aller Unsicherheit – es gibt auch Gewissheiten. Dazu gehört, seltener oder am besten gar nicht mehr zu fliegen. Wenig Aufwand bedeutet es, einen Ökostromvertrag abzuschließen, möglichst für zertifizierte Produkte, die den Ausbau erneuerbarer Energien fördern. Nachhaltig ist es, Mehrwegsysteme zu nutzen und regional erzeugtes Gemüse der Saison zu kaufen – am besten unverpackt auf dem Markt. Wer das eigene Auto öfter stehen lässt oder gleich auf Carsharing umsteigt, senkt den eigenen CO₂-Fußabdruck deutlich. Das gilt auch, wenn weniger Fleisch- und Milchprodukte konsumiert werden. Gegenstände können geliehen oder repariert werden, anstatt sie neu zu kaufen.

Das muss nicht alles sofort und gleichzeitig geschehen. Czioska empfiehlt, zunächst einzelne Konsumgewohnheiten und Verhaltensweisen zu ändern: „Es ist nicht wichtig, dass wir perfekt sind, es kommt vielmehr auf die Gesamtbilanz an.“

Bedeutet nachhaltiges Verhalten Verzicht?

„Weniger ist mehr“, bringt Schoßig nachhaltiges Leben auf eine kurze Formel. „Es muss auch Verzicht geben“, sagt Reusswig. Allerdings würden Einschränkungen meist nur zu Beginn als solche empfunden. Wer weniger verbrauche, spare außerdem Geld, erläutert er. Ein nachhaltiger Lebensstil bewirke bei vielen Menschen eine höhere Lebenszufriedenheit, sagt Czioska. Anstatt auf kurze Glücksmomente beim Kaufen zu setzen, sei es besser, eine langfristige Bindung zu Produkten aufzubauen, meint Wohlgemuth. Wer weniger konsumiere, gewinne Zeit für andere Dinge des Lebens.

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Was können Einzelne bewirken?

„Jeder zählt“, betont Reusswig. Der Einkaufszettel werde zum Stimmzettel. Das Konsumverhalten der Verbraucher sende Signale an die Industrie. Schoßig hofft auf einen Dominoeffekt: „Einzelne können als Vorbilder in ihre eigenen sozialen Gruppen hineinwirken und andere motivieren, es ihnen gleichzutun.“ Erreicht werden sollten insbesondere Gutverdiener, weil der CO₂-Fußabdruck mit dem Nettoeinkommen steige, sagt Czioska. Sie warnt vor dem sogenannten Rebound-Effekt: Denn oft wird die positive Wirkung wieder zunichtegemacht. So fahren Autos zwar immer energieeffizienter, dafür werden aber PS-stärkere Modelle gekauft.

Was muss die Politik leisten?

Ohne politische Rahmenbedingungen werde es keinen durchschlagenden Erfolg beim Thema Nachhaltigkeit geben, ist Czioska überzeugt. So sollten gefährliche Stoffe wie Weichmacher verboten werden. Außerdem könne die Politik über Förderprogramme Anreize schaffen – zum Beispiel, um den Energieverbrauch zu verringern. Wohlgemuth fordert, soziale und ökologische Mindeststandards für Waren festzulegen. Außerdem sollten Kosten, die ein CO₂-Ausstoß verursacht, eingepreist werden.

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Reusswig hält die Einführung von CO₂-Labels und einer CO₂-Steuer für sinnvoll. Auf der anderen Seite sollten Subventionen etwa für Flugreisen oder umweltbelastende Dienstwagen zurückgefahren werden. Die Akzeptanz für politische Entscheidungen, die der Nachhaltigkeit dienen, sei derzeit groß, glaubt Reusswig: „Corona ist ein großer Habit-Changer, die Politik sollte deshalb jetzt die Gelegenheit dazu ergreifen.“

Zum Nachlesen:

Von der E-Mail bis zur Flugreise: Der britische Soziologe Mike Berners-Lee hat in seinem Buch „Wie schlimm sind Bananen“ detailliert nachgerechnet, wie viel CO₂ jeweils verbraucht wird. Außerdem erläutert er, wie jeder Einzelne seinen Fußabdruck verringern kann. Tipps zum nachhaltigen Leben finden sich auch in dem Buch „Grüner leben nebenbei“ der Stiftung Warentest. Auf Geo.de schreibt Umweltredakteur Peter Carstens darüber, welche Faktoren sich negativ auf nachhaltiges Verhalten auswirken. Autor Armin Grundwald weist in seinem Buch „Ende einer Illusion“ darauf hin, dass ökologisch korrekter Konsum allein die Umwelt nicht retten kann, sondern auch die Politik gefordert ist.


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