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Neue Pandemien durch Wildtiere? Experte warnt vor Umweltzerstörung

Wildtiere wie Fledermäuse können gefährliche Krankheiten übertragen.

Wildtiere wie Fledermäuse können gefährliche Krankheiten übertragen.

Insbesondere Wildtiere gelten als Überträger von Krankheiten. Auch das neuartige Coronavirus wurde wahrscheinlich von Fledermäusen und anderen Wirtstieren auf den Menschen übertragen. Dieses Phänomen bezeichnet man auch als Zoonose.

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Alex Greenwood, Leiter der Abteilung Wildtierkrankheiten des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin, warnt vor einer erhöhten Gefahr neu auftretender Pandemien. Im RND-Interview erklärt der in den USA geborene Forscher, warum der Mensch mit seinem Verhalten die Wahrscheinlichkeit neuer Ausbrüche dramatisch erhöht. “Wir brauchen daher einen Plan zur Vorbeugung von Pandemien”, fordert der Experte.

Herr Greenwood, wie kann es zur Übertragung von Viren von Wildtieren auf den Menschen kommen?

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Generell muss man sagen, dass nur ganz wenige Viren von Tieren auf den Menschen übertragen werden können. Die meisten Viren sind sehr spezifisch auf eine Art beschränkt. Wenn beispielsweise eine Fledermaus mit dem neuartigen Coronavirus infiziert ist, aber sie nicht in engen Kontakt mit Menschen kommt, gibt es keine Übertragung. Es hat etwas mit den Kontaktmöglichkeiten zu tun.

Vor allem Coronaviren sind ebenso wie Ebolaviren weniger wirtsbezogen. Die Viren befinden sich oftmals in einem Kreislauf mit Mücken, Fledermäusen oder auch Primaten. Diese Viren können also schon an Affenarten angepasst sein. Doch dieser Schritt allein reicht nicht aus für eine Übertragung, sonst würden alle zwei oder drei Tage Pandemien ausbrechen.

Alex Greenwood leitet die Abteilung für Wildtierkrankheiten des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin.

Alex Greenwood leitet die Abteilung für Wildtierkrankheiten des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin.

Wie lautet dann der zweite Schritt?

Der zweite Schritt ist der direkte Kontakt zwischen Wildtier und dem Menschen. Einen großen Faktor spielt dabei die Landwirtschaft, die oftmals in der Nähe von Urwäldern betrieben wird. Zudem jagen Menschen Wildtiere, um das Fleisch zu essen oder es zu verkaufen. Ein solcher Kontakt hat auch die Übertragung von HIV auf Menschen ermöglicht.

Klimaerwärmung und Pandemierisiko hängen zusammen

Inwiefern können landwirtschaftliche Betriebe Orte für ein erhöhtes Infektionsrisiko sein?

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Wenn Bauernhöfe zu nah an Urwäldern stehen, gibt es dort viele Mücken. Eine Mücke, die vorher einen Affen gebissen hat, kann dann das Affenvirus auf den Menschen übertragen. Diese Art der Übertragung wird durch die fortschreitende Klimaerwärmung noch verstärkt. Mücken fühlen sich bei warmen Temperaturen wohler, leben länger und haben viel mehr Zeit, sich zu reproduzieren.

Wir sorgen mit der Klimaerwärmung also selbst dafür, dass Übertragungen viel leichter zustande kommen. Gefahren bestehen aber auch, wenn Bauern beispielsweise auf ihren Höfen mit Schweinen und Enten zusammenleben. Dann kann der Vogel das Schwein infizieren. Dieses wiederum kann das Virus auf den Menschen übertragen. Es ist in den letzten Jahren immer wieder vorgekommen, dass Influenzaviren von Mensch zu Mensch übertragen werden können. Denn es gibt nur wenige Viren, die direkt von Vögeln auf Menschen übertragen werden können.

In China wird der Ursprung von Sars-CoV-2 verortet, auch das Sars-Virus von 2003 stammt von dort. Gibt es bestimmte Regionen oder Länder, die besonders anfällig für den Ausbruch von Epidemien sind?

Spezielle Länder gibt es nicht. China ist eigentlich kein normaler Hotspot für virale Ausbrüche. Die Hotspots sind eher die Tropen. Es sind Gegenden, in denen viele Mücken beheimatet sind. Nördliche Gegenden wie China oder auch südliche wie Patagonien sind eher nicht betroffen.

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Welche Rollen spielen Tiermärkte bei der Übertragung von Viren?

Tiermärkte, wie es sie in China gibt, sind schlecht, keine Frage. Tausende Tiere eingepfercht auf engem Raum, dazu der Kontakt mit ganz vielen Menschen, das ist kein gutes Rezept für Gesundheit. Besonders bei exotischen Märkten, wo wir gar nicht wissen, an was die Tiere leiden könnten, besteht ein hohes Risiko.

Bei Covid-19 etwa zeigen Infizierte schnell Symptome, aber bei HIV beispielsweise dauert es Jahre, bis sich Symptome zeigen. Es besteht also die Gefahr von stillen Ausbrüchen durch solche Märkte. Aber auch die großen Mastbetriebe sind Superhotspots für die Übertragung von Viren. Erkrankungen auf Höfen können auch auf Wildvögel übergreifen. Es geht also in beide Richtungen.

In Brasilien wird der Regenwald, wie auch in vielen anderen Ländern, weiter systematisch ausgelöscht. Kann es dadurch zu mehr Ausbrüchen kommen?

Das kann mehrere Konsequenzen haben. Die Zerstörung des Ökosystems sorgt nicht zwangsläufig dafür, dass die Arten alle verschwinden, aber die Balance ändert sich. Es kann sein, dass bestimmte Tiere mit der Zerstörung besser zurechtkommen. Die Tiere müssen sich zwangsläufig neue Lebensräume suchen, und beispielsweise Fledermäuse fliegen in andere Gebiete und suchen häufig auf Bauernhöfen nach Nahrung. Dort kann dann der Kontakt zu Menschen entstehen.

Zudem können Waldarbeiter bei der Abholzung mit den Tieren oder dem Kot der Tiere in Berührung kommen. So können komplett neue Krankheiten auf den Menschen übertragen werden. Das kann wahnsinnig negative Konsequenzen für die Gesundheit der Menschen haben. Vampirfledermäuse wurden zum Beispiel durch die Abholzung der Wälder in Mexiko aus ihrem Lebensraum verdrängt. Auf dieser Fläche stehen nun Rinder. Wenn sich die Fledermäuse vom Blut der Rinder ernähren, kann es auch zu Tollwutübertragungen kommen. In Zukunft werden wir vermehrt solche Fälle haben.

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Virenausbrüche nehmen zu

Viele Dinge, die die Menschheit tut, treiben diese Ausbrüche an.

Was bedeutet das konkret für die kommenden Jahre?

Wir wissen, dass die Anzahl von viralen Ausbrüchen seit langer Zeit steigt. Viele Dinge, die die Menschheit tut, treiben diese Ausbrüche an. Durch die Globalisierung ist auch eine Übertragung in viele Länder nur eine Frage der Zeit. Es ist eigentlich egal, wo es ausbricht. Alle bekannten Virenkrankheiten bei Menschen sind ursprünglich von Wildtieren übertragen worden. Wir Menschen sorgen selbst dafür, weil wir die Zerstörung der Umwelt vorantreiben.

Was kann man dagegen tun?

Die Tiermärkte sind nicht so schlimm, wie sie häufig dargestellt werden. Exotische Tiere werden nur auf wenigen Märkten angeboten, zumeist handelt es sich um Geflügel. Man kann diese Märkte nicht komplett verbieten. Auch ein Verbot des Buschfleischverkaufs in Afrika hätte beinahe etwas Neokolonialistisches. Die Menschen dort tun es nicht, weil sie es wollen, sondern weil viele einfach Hunger haben.

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Man könnte aber beispielsweise den Export von Wildtierprodukten in reiche Länder regulieren, auch hygienisch. Auf den Wildmärkten muss es zudem stärkere Kontrollen geben. Zudem müssen Abholzungen wie in Brasilien gestoppt werden. Es ist aber nicht nur ein Problem von Brasilien, Borneo oder auch Sumatra, wo verstärkt abgeholzt wird. Die Nachfrage von Produkten wie Palmöl ist insbesondere in den reichen Ländern riesig. Wenn dieser Bedarf nicht so groß wäre, würden die Wälder nicht in diesem Maße abgeholzt werden. Doch der kurzfristige wirtschaftliche Druck und die Profitgier sorgen dafür.

Gibt es noch andere Lösungen, um den Ausbruch von Pandemien zu verhindern?

Man könnte die Tiere entsprechend ihrer übertragenden Viren genau kategorisieren. Dies würde vielleicht 2 bis 3 Milliarden Euro kosten, aber dann hätten wir wirklich detaillierte Einschätzungen zum vorhandenen Risiko und den Risikogebieten. Wir zahlen aber mehrere Milliarden Euro pro Tag allein zur Bekämpfung der Folgen des neuartigen Coronavirus. Wir brauchen daher einen Plan zur Vorbeugung von Pandemien. Wir müssen vorher wissen, wo eine Pandemie ausbrechen könnte und nicht verspätet reagieren. Wir dürfen uns nicht mehr so kalt erwischen lassen.

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