Pubertät: Väter sollten sich mehr einmischen

Rückzug, fiese Sprüche, genervte Blicke: In der Pubertät sind das aus psychologischer Sicht normale Verhaltensweisen.

Rückzug, fiese Sprüche, genervte Blicke: In der Pubertät sind das aus psychologischer Sicht normale Verhaltensweisen.

Pickel, Stimmbruch, fettige Haare, schlechte Laune, Schweißgeruch – die Pubertät ist auf den ersten Blick vor allem mit Unannehmlichkeiten verbunden. Wozu ist sie eigentlich gut?

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Sie dient dazu, dass aus Kindern Erwachsene werden. Dabei rücken bestimmte Fragen in den Fokus: Wo ist mein Weg? Was ist anders an meinem Weg als an dem meiner Eltern? Wie schaffe ich es, mich abzulösen? Da gibt es auch Krach. Aber das muss so sein.

Was passiert in der Pubertät im Gehirn? Viele Erwachsene würden den Jugendlichen ja am liebsten permanent das Schild „Wegen Umbau geschlossen“ auf die Stirn kleben.

Das Gehirn ist in dieser Zeit eine Großbaustelle. Es reift von hinten nach vorne, vom Kleinhirn zum Stirnlappen. Im vorderen Bereich des Gehirns, der viel später fertig wird, finden wir die Areale, die für Vernunft stehen. Das für Gefühle zuständige limbische System, der Mandelkern, wirkt in der Pubertät viel stärker und ist für manche Entscheidung wider besseres Wissen gut. Für manche Eltern ist es aber entlastend, wenn sie sich sagen können: Nicht ich bin schuld, wenn alles schiefläuft. Nicht du bist schuld. Es ist der Umbau im Gehirn.

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Sie leiten auch Gruppen für Eltern pubertierender Kinder. Fühlen Eltern sich oft schuldig, weil in der Pubertät alles aus dem Ruder läuft?

Ich gebe viele Kurse im ländlichen Bereich. Da gibt es häufig Teilnehmer, die sagen im Ort gar nicht, dass sie zur Erziehungsberatungsstelle gehen. Sie glauben, sie sind als Eltern nicht gut genug, und zweifeln sehr an sich: „Ich kann nicht, was alle anderen können, nämlich ein Kind großziehen“, ist die Sorge. Ich habe auch manche Eltern aus dem pädagogischen Bereich, die sagen: „Bei allen anderen Jugendlichen klappt es, nur bei meinem eigenen Kind versage ich.“

Was sagen Sie ihnen?

Dass es vor allem wichtig ist, mit dem Heranwachsenden in Kontakt zu bleiben. Dass die Konflikte meist nichts mit ihnen zu tun haben. Das ist die Pubertät.

Rückzug, fiese Sprüche, genervte Blicke: In der Pubertät sind das aus psychologischer Sicht normale Verhaltensweisen. Eltern sollten deshalb versuchen, die Angriffe nicht persönlich zu nehmen oder bestimmte Verhaltensweisen zu erzwingen.

Rückzug, fiese Sprüche, genervte Blicke: In der Pubertät sind das aus psychologischer Sicht normale Verhaltensweisen. Eltern sollten deshalb versuchen, die Angriffe nicht persönlich zu nehmen oder bestimmte Verhaltensweisen zu erzwingen.

Mütter trifft die Rebellion oft am härtesten. Gerade war sie noch die heiß geliebte Mama, jetzt schleudert ihr das Kind Tag für Tag ein „Ich hasse dich“ entgegen. Warum?

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Mütter sind immer noch häufig näher dran am Kind. Das ändert sich langsam, aber in den meisten Familien ist es noch so. Töchter wollen eine andere Frau werden und sich von der Mutter abgrenzen. Manchmal werden sie sogar zur Konkurrenz. Plötzlich ist die Tochter die Attraktivere für Männer. Das ist der Lauf der Zeit, aber manchmal ist es nicht so einfach für Mütter, damit umzugehen. Jungen wollen auf keinen Fall als Muttersöhnchen gelten. Auch das gibt Reibung.

Wie können Mütter damit umgehen?

Das Wichtigste und Allerschwerste: die Dinge nicht persönlich nehmen. Manche Eltern sind so verletzt, dass sie auch verletzen. Andere machen immer häufiger, was das Kind will. Aber Feindseligkeit erzeugt Feindseligkeit. Nachgiebigkeit erzeugt erhöhte Forderungen. Dabei ist der Job der Kinder: gucken, was geht. Der Job der Eltern ist: an manchen Stellen zeigen, was eben nicht geht.

In der Pubertät ist der Hauptjob der Mütter getan.

Was für eine Rolle spielen Väter in Pubertätskonflikten?

Es wäre gut, wenn sich Väter mehr einmischten. Papa, wie sehe ich aus? Wie findest du mein Kleid? Das wollen die Töchter vom Vater wissen. Jungen wollen wissen: Wie ist ein Mann? Das können sie sich idealerweise vom Vater abgucken. Wenn die Mutter in dieser Zeit einen Schritt zurückträte und der Vater einen Schritt vor, wäre das hilfreich. In der Pubertät ist der Hauptjob der Mütter getan.

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Stimmt es, dass die Pubertät immer früher beginnt?

Man sagt heute, dass die Pubertät im Schnitt zwei Jahre früher beginnt als noch etwa vor 35 Jahren. Es gibt Mädchen, die in der Grundschule ihre Periode, Jungen, die dann ihren ersten Samenerguss haben.

Wann hört sie auf?

Wenn man es berechenbar machen will: Die Vorpubertät dauert von zehn bis zwölf, die Pubertät von zwölf bis 16, die Nachpubertät bis 18. Aber es gibt noch das, was man in den USA Emerging Adulthood nennt: aufsteigendes Erwachsenenalter. Das ist die Zeit, in der man noch nicht weiß, was man will. Aber keine Angst, das bedeutet nicht 15 Jahre Dauerstress. Viele sagen, ab 16 wird es besser, mit 18 ist man raus.

Lebe, liebe und sei schön: Schulnoten sind sekundär. Was für Pubertierende zählt, ist vor allem, wie man es anstellt, dass dieser oder jene einen toll findet. Eltern müssen das ebenso aushalten, wie auch mal richtig doof gefunden zu werden.

Lebe, liebe und sei schön: Schulnoten sind sekundär. Was für Pubertierende zählt, ist vor allem, wie man es anstellt, dass dieser oder jene einen toll findet. Eltern müssen das ebenso aushalten, wie auch mal richtig doof gefunden zu werden.

Eine der Hauptklagen von Eltern heute betrifft mangelnden Respekt. Spießer, Zicke, Arschloch gehört in manchen Familien noch zu den harmlosen Beschimpfungen. Wie können Eltern dem begegnen?

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Da muss man ganz klar sagen: Stopp. So reden wir nicht miteinander. Wenn du das nicht anders kannst, musst du den Raum verlassen. Wir treffen uns in vier Stunden wieder. Das Falscheste wäre zu sagen: So sprechen die halt heute.

Warum prägt dieser Konflikt die heutige Eltern-Kind-Generation so? Großeltern oder Kinderlose können derart respektlosen Umgang oft gar nicht nachvollziehen.

Das hat viele Gründe. Respektlosigkeit ist gesellschaftsfähig geworden. Schauen Sie sich nur Sendungen wie „Germany’s Next Topmodel“ oder „Deutschland sucht den Superstar“ an. Oder manche Rapper oder Influencer. Von denen gucken sich Jugendliche das ab. Wenn man so redet, ist man cool. Dazu kommt: Jugendliche – und auch Erwachsene – schreiben sich heute viel häufiger Nachrichten übers Handy. Wenn man schreibt, sinkt die Respektschwelle. Man sieht ja nicht, wie der andere verletzt ist. Über manches wurde früher außerdem einfach nicht diskutiert.

Sie haben Ihr jüngstes Buch „Die tun nicht nichts, die liegen da und wachsen“ betitelt. Viele Eltern verzweifeln aber darüber, dass Jugendliche chillen, statt für die Schule zu lernen.

Eltern haben vielleicht schon den Abschluss im Kopf, der Chancen für Studium oder Lehre bietet. Jugendliche interessiert aber viel mehr, wie sie es anstellen, dass diese und jene ihn oder sie toll findet. Das ist in der Pubertät dran. Da gehen in der Regel die Schulnoten runter.

Was raten Sie?

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Einen klaren Standpunkt beziehen und loslassen gleichzeitig. Also auch mal aushalten, richtig doof gefunden zu werden. Auf keinen Fall soll man ständig fragen: Hast du deine Hausaufgaben gemacht? Kannst du nicht endlich dein Handy ausmachen? Das erzeugt nur Widerstand. Oder Sätze wie: Ich kann auch ohne Handy schlecht in der Schule sein. Eltern sind keine Ersatzlehrer. Und am Ende gilt der alte Satz: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht. Es geht in der Schule um Eigenmotivation. Die kann man nicht erzwingen.

Elisabeth Raffauf, geboren am 4. Juni 1960 in Essen, ist Diplom-Psychologin. Sie arbeitet in Köln in einer freien Praxis mit Jugendlichen und Erwachsenen und als Supervisorin von Teams. 21 Jahre war sie an einer Erziehungsberatungsstelle. Heute leitet sie freiberuflich Gruppen für Eltern von Jugendlichen und hält Vorträge. Für Fachkräfte leitet sie Fortbildungen unter anderem zu den Themen „Pubertät“ und „Sexualerziehung“. Als Autorin und Expertin im Studio ist sie unter anderem für den WDR und die Kindernachrichtensendung „Logo“ tätig. Sie ist Co-Autorin der Aufklärungsreihe „Herzfunk“, die seit vielen Jahren im Kiraka, dem Kinderradio des WDR läuft. Aktuelle Buchveröffentlichung: „Die tun nicht nichts, die liegen da und wachsen – Was in der Pubertät hilft.“ Patmos-Verlag, 192 Seiten, 18 Euro.

Elisabeth Raffauf, geboren am 4. Juni 1960 in Essen, ist Diplom-Psychologin. Sie arbeitet in Köln in einer freien Praxis mit Jugendlichen und Erwachsenen und als Supervisorin von Teams. 21 Jahre war sie an einer Erziehungsberatungsstelle. Heute leitet sie freiberuflich Gruppen für Eltern von Jugendlichen und hält Vorträge. Für Fachkräfte leitet sie Fortbildungen unter anderem zu den Themen „Pubertät“ und „Sexualerziehung“. Als Autorin und Expertin im Studio ist sie unter anderem für den WDR und die Kindernachrichtensendung „Logo“ tätig. Sie ist Co-Autorin der Aufklärungsreihe „Herzfunk“, die seit vielen Jahren im Kiraka, dem Kinderradio des WDR läuft. Aktuelle Buchveröffentlichung: „Die tun nicht nichts, die liegen da und wachsen – Was in der Pubertät hilft.“ Patmos-Verlag, 192 Seiten, 18 Euro.

Interview: Jutta Rinas/RND

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