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Paartherapeut: Toxische Beziehungen sind ein unbewusstes Tauschgeschäft

In toxischen Beziehungen gibt es nur Verlierer – doch aus den persönlichen Defiziten kann man nach einer Trennung lernen.

In toxischen Beziehungen gibt es nur Verlierer – doch aus den persönlichen Defiziten kann man nach einer Trennung lernen.

Hamburg. Noch vor zehn bis 15 Jahren konnten sich die wenigsten Menschen etwas unter einer toxischen Beziehung vorstellen. Heute ist das anders. Viele wissen, was dieser Begriff bedeutet, und meist leider auch, wie sich eine solche anfühlt. Denn toxische Beziehungen sind leider keine Seltenheit mehr. Doch was verbirgt sich wirklich dahinter und warum sind die Betroffenen oft unfähig sich daraus zu lösen – trotz emotionalen, psychischen und seelischen Schmerzes? Die Hauptbestandteile einer toxischen Beziehung sind Unsicherheit, Egozentrik, Angst, Macht und Sucht.

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Diese gefährliche Mischung macht nicht nur eine harmonische Verbindung unmöglich, sondern sie schadet den Beteiligten enorm. Oft verlieren sie neben ihrem Selbstwert auch die Kontrolle über das eigene Leben. Der Job, Freundschaften, Hobbys, alles kann darunter leiden, denn toxische Beziehungen vereinnahmen die Beteiligten oft gänzlich. Und beide Partner sehen sich stets als Opfer, ihr Gegenüber als Täter.

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Unbewusstes Tauschgeschäft: Alte Traumata heilen

Doch darum geht es nicht, es gibt in dem Sinne keinen Guten und Bösen. Eine solche Beziehung beruht auf einem unbewussten Tauschgeschäft. Es gibt eine magnetische Anziehung, weil beide Partner das gleiche Dramathema haben und sich das Ganze wie Topf und Deckel anfühlt. Die intensive Anziehung wird für echte Liebe gehalten, der Schmerz wird unter Leidenschaft verbucht.

Allerdings geht es nicht um den anderen, sondern um den verzweifelten Versuch, alte Traumata und Schmerzen zu heilen. Das Chaos in der Beziehung spiegelt das eigene innere Unglück wider. Indizien für eine toxische Beziehung sind, dass es ständig wehtut und dass man Tag und Nacht über dieses Thema nachdenkt. Auch die extreme Wut, die entsteht, wenn ein Partner seinen Teil des Vertrages nicht erfüllt, ist kennzeichnend. Auch das Gefühl der Unsicherheit ist ein steter Begleiter ebenso wie das ungute Bauchgefühl.

Christian Hemschemeier ist Paartherapeut in Hamburg und Experte in Sachen Dating, Partnerschaft und Liebe.

Christian Hemschemeier ist Paartherapeut in Hamburg und Experte in Sachen Dating, Partnerschaft und Liebe.

Einer kontrolliert, einer wird kontrolliert

Dieses ist meist der erste Indikator, noch bevor tatsächliche Fakten wie Fremdgehen, eine Sucht oder Ähnliches zutage treten. Leider hören wir oft erst viel zu spät auf diese innere Stimme, die uns unaufhörlich warnt. Was auch daran liegt, dass wir eine solche Verbindung meist aus der Kindheit in ähnlicher Form kennen und uns – trotz der Schmerzen und Verzweiflung – auf absurde Weise wohlfühlen. Eben weil wir es kennen.

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Ein weiteres großes Thema ist Kontrolle. Es gibt einen Partner, der kontrolliert, und einen, der kontrolliert wird. Der Kontrollierende hält den anderen dabei in einer bestimmten (entfernten) Position und nutzt ihn zeitgleich für die Zwecke seines Egos aus. Das sind meist Narzissten oder Bindungsängstler (Minuspol), die einerseits nicht allein sein möchten und das verzweifelte Hinterherlaufen des anderen (meist Verlustängstler) genießen. Die andererseits aber auch dafür sorgen, dass bloß nicht zu viel Nähe entsteht.

Angst vor Verlusten raubt Energie – und Glück

Bei dem Verlustängstler (Pluspol) handelt es sich meist um Varianten des Liebessüchtigen oder des Co-Abhängigen. Sie denken Liebe und Zuwendung „erkaufen“ zu müssen, indem sie immer nur geben, alles erleiden oder ihre eigene Energie an den anderen abgeben. Der Pluspol leidet meist mehr als der Minuspol, doch auch dieser wird in einer solchen Beziehung nicht glücklich. Denn auch er hat eine innere Leere, die durch geborgte Energie jedoch nicht aufzufüllen ist.

Unterm Strich hat eine toxische Beziehung also nichts mit Liebe, aber dafür umso mehr mit verdeckten Traumen zu tun. Und sie kann einen extrem hohen Lernfaktor haben und die eigenen Grenzen und Defizite aufdecken, wenn man denn hinschaut. Das kann der Gewinn sein. Eine ruhige sichere Beziehung zum Genießen ist sie aber nicht.

Der Autor und seine Kurse sind zu erreichen über www.liebeschip.de. Sein Buch „Der Liebescode“ ist 2019 im Handel erschienen.

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