Schmid fordert Tournee für Frauen: „Ich kann die Gründe nicht mehr verstehen“
Katharina Schmid hat so langsam keine Geduld mehr. „Mir geht es nicht schnell genug mit der Vierschanzentournee“, sagt die deutsche Skispringerin im Gespräch mit dem Sportbuzzer, dem Sportportal des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND). „Ich muss lernen, dass manches ein bisschen länger dauert. Aber ich kann die Gründe nicht mehr verstehen“, betont die 27-Jährige energisch.
Am 29. Dezember startete die 72. Vierschanzentournee in Oberstdorf – zum 72. Mal tragen nur die Männer das traditionsreiche Turnier mit Springen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen aus. In diesem Jahr findet parallel erstmals die sogenannte „Two Nights Tour“ statt. Es ist quasi eine „halbe“ Tournee mit Springen in umgekehrter Reihenfolge: erst in Garmisch (30. Dezember, 17.30 Uhr) und dann in Oberstdorf (1. Januar, 16.15 Uhr).
Kampf um „Schanzengleichheit“ dauert schon Jahre
Doch das ist nur ein schwacher Trost für Schmid, die vor ihrer Hochzeit im Sommer noch Althaus hieß, und ihre Kolleginnen, die sich schon seit Jahren für die sogenannte „Schanzengleichheit“ einsetzen. „Manchmal komme ich mir vor, wie ein kleines Kind, das die ganze Zeit jammert“, sagt die 27-Jährige und ergänzt, dass sie am Ende der letzten Saison wegen der ewigen Wiederholungen sogar schon genervt von sich selbst gewesen war.
Eigentlich waren sich die Tourneeorte schon vor drei Jahren einig, dass die 70. Tournee eine gemeinsame von Männern und Frauen sein soll. In der Praxis ist es allerdings komplizierter. Die Entscheidung liegt nicht bei den Standorten allein, auch der Deutsche Skiverband (DSV), der Österreichische Skiverband (ÖSV) und der Ski-Weltverband (FIS) müssen dafür sein. Aktuell liegt es an den Österreichern, eine Tournee der Frauen auszutragen, damals scheiterte es am DSV. „Es wurden in den letzten Jahren sicher Fehler von beiden Seiten gemacht“, sagte DSV-Sportdirektor Horst Hüttel.
Für die Standorte ist die Logistik eines der größten Probleme. „Wir sind hier rund um die Tournee voll“, erklärte Peter Kruijer aus Oberstdorf, Präsident der Vierschanzentournee, der Sueddeutschen Zeitung und fügte an, dass er nicht wisse, wo die Frauen-Teams samt Betreuerstab noch unterkommen sollen. Ähnliches berichten österreichische Standorte. Die FIS hingegen hat Angst um das sportliche Niveau. „Wir können kein Top-Event für ein paar Athletinnen organisieren“, sagte Präsident Sandro Pertile vor einigen Jahren dem Deutschlandfunk, gab aber gleichzeitig die Perspektive, Frauen in die Vierschanzentournee zu integrieren. Immerhin scheint die Annahme, dass der weibliche Körper die Kräfte, die beim Skispringen auf diesen einwirken, in immer weitere Ferne zu rücken. Als der Verband sich erstmals mit Skispringerinnen beschäftigte, äußerte der damalige Präsident Gianfranco Kasper eine Aussage, die bis heute gerne zitiert wird. Er befürchtete, „dass die Wucht des Aufpralls die Gebärmutter zerstört“.
Hannawald empört über halbe Tournee, Schmitt findet ersten Schritt in Ordnung
Aussagen, über die Schmid nur lachen kann: „Jahrelang hieß es, dass man uns schützen muss, weil unsere Körper das nicht aushalten und wir noch nicht dazu bereit sind.“ Ihrer Meinung nach hätten die Skispringerinnen bereits ausreichend gezeigt, „dass sie es können“. Eine Ansicht, die inzwischen große Teile der Skisprung-Welt vertreten. Der letzte deutsche Tournee-Sieger, Sven Hannawald, zeigt sich im Sportbuzzer-Gespräch empört über die „halbe Tournee“. „So wie es jetzt bei den Frauen abläuft, ist es eine Alibi-Tournee“, sagte der 49-Jährige und lieferte direkt einen Lösungsvorschlag: „In einem oder zwei Jahren könnte eine Frauen-Tournee parallel zu den Männern laufen, da mit Innsbruck die letzte Station nun grünes Licht für Flutlicht bekommen hat.“ Demnach könnten die Männer überall um 16.30 Uhr springen und die Frauen am Vormittag, so Hannawalds Vorschlag. „Warum nicht darauf warten?“, fragte er – denn von halben Sachen halte er nichts. Sein Ex-Kollege Martin Schmitt beurteilte die „Two Nights Tour“ nicht ganz so hart. „Das, was man jetzt hat, ist besser als gar nichts“, sagte der 45-Jährige gegenüber Eurosport, auch wenn er sich eine gemeinsame Tournee wünsche.
Schmid selbst hat vor der Premiere aber erstmal eine andere Aufgabe: Nachdem die zweifache Olympia-Silbermedaillengewinnerin in der letzten Saison überragte und bei der WM in Planica dreimal Gold und einmal Bronze gewann, zeigte sie sich zu Beginn der neuen Saison ratlos. Mit bisher nur zwei Top-10-Platzierungen ist die 27-Jährige weit vom Podium entfernt. Was ihr vielleicht einen neuen Schub gibt: Bei der Wahl zur Sportlerin des Jahres wurde sie auf den dritten Platz gewählt.