Härtere Mindeststrafen bieten keinen besseren Schutz vor Kindesmissbrauch

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht

Berlin. Sexueller Missbrauch bei Kindern soll künftig als Verbrechen eingestuft werden. Das hat Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) jetzt in einem Eckpunktepaket voller Strafverschärfungen vorgeschlagen. Wie so oft im Strafrecht handelt es sich dabei um Symbolpolitik.

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Die Forderung, dass sexueller Missbrauch immer mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden müsse, ist nicht neu. Doch in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten haben alle Justizminister dies abgelehnt – weil der sexuelle Missbrauch ein Delikt mit sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen ist.

Es gibt extrem brutale Delikte, die aufs Härteste bestraft gehören und werden. Das deutsche Strafrecht ist hier überhaupt nicht lax. Aber es gibt auch leichtere Formen, die oft schwer einzuordnen sind. Hier ist eine Mindeststrafe von einem Jahr zu hart.

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In der Praxis ist mit härteren Mindeststrafen sicher kein besserer Schutz vor sexuellem Missbrauch verbunden. Jeder Strafrechtsexperte weiß, dass die Höhe der Strafdrohung weit weniger wichtig ist als die Wahrscheinlichkeit, gefasst zu werden. Hier müssten die Länder ihr Personal in Jugendämtern und bei der Polizei aufstocken und besser schulen. Die generelle Hochstufung zum Verbrechen hat damit nichts zu tun.

Möglicherweise sind Lambrechts Vorschläge sogar kontraproduktiv, weil es im Gesetz dann für leichtere Fälle keine angemessene Strafdrohung mehr gibt. Es könnte etwa sein, dass Kinder lieber auf eine Aussage gegen den mutmaßlichen Täter verzichten, weil sie nicht wollen, dass dessen Existenz bedroht wird.

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