CDU-Verteidigungsexperte: „Auch der Westen ist in Afghanistan gescheitert“
Hannover. Angesichts der Machtübernahme der Taliban sieht der Leipziger CDU-Verteidigungsexperte Jens Lehmann eine schwere Niederlage Deutschlands und seiner Bündnispartner in Afghanistan.
„Wir müssen bitter eingestehen: auch der Westen ist in Afghanistan gescheitert. 20 Jahre Einsatz konnten keine nachhaltigen Strukturen etablieren, die wehrhaft genug sind, um sich gegen die mittelalterliche Ideologie der Taliban zu behaupten”, sagte Lehmann, der Mitglied im Verteidigungsausschusses des Bundestags ist, der „Leipziger Volkszeitung”.
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Am traurigsten stimme ihn, „zu der Erkenntnis zu gelangen, dass das Vermächtnis der gefallenen Bundeswehrsoldaten mit Füßen getreten wird”. Das gelte jedoch auch für die ausgebildeten afghanischen Sicherheitskräfte, deren Kampfmoral für ihr Land und ihre afghanischen Mitbürger nicht existiere, sagte er weiter.
Er fordert nun, alle noch im Land verbliebenen Deutschen ebenso wie schutzbedürftige Ortskräfte so schnell wie möglich zu evakuieren. Unter einer Bedingung sieht er zudem Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in seinem Amt nicht mehr tragbar. „Wenn die Berichte allerdings stimmen, dass die Bundeswehrsoldaten schon am Samstag hätten fliegen können, das Auswärtige Amt dies aber verzögert hat, dann ist Heiko Maas als Außenminister nicht mehr tragbar.”
Realistische Ziele für die Bundeswehr
Lehmann regt eine schonungslose und ehrliche Bilanz nach der Evakuierung an. Deutschland müsse für sich präziser definieren, welche geostrategischen Interessen es habe und wie es diese künftig durchsetzen wolle. Und für die Bundeswehr gelte es, realistische Ziele zu definieren.
Der frühere Aufbauhelfer in Afghanistan, Werner Fräßdorf aus Wusterwitz in Brandenburg, hat sich entsetzt geäußert. „Ich bin schockiert und komme nachts nicht in den Schlaf. 95 Prozent der Afghanen sind friedliebend und gastfreundlich. Dass es einer kleinen Minderheit in wenigen Tagen gelingen soll, ein ganzes Land in seine Gewalt zu bekommen, macht mir Angst”, sagte der frühere Bauprojektmanager der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) der „Märkischen Allgemeinen Zeitung”.
Von militärischen Dingen habe er nicht viel Ahnung. Aber sämtliche Analysten und Geheimdienste hätten mit ihren Einschätzungen der Lage glatt versagt. „Es ist ein Jammer. Mit jedem Haus und jeder Straße war die Hoffnung auf ein friedliches Afghanistan verknüpft. Jetzt werden die Taliban diese Einrichtungen für ihre Zwecke nutzen“, sagt Fräßdorf.
Afghanistan werde Deutschland und die westliche Welt seiner Meinung nach noch einmal brauchen. Denn: „Einen Staat, in dem Terroristen das Sagen haben, kann sich die internationale Gemeinschaft auf Dauer nicht leisten.“
RND/cz/tdi