Wie die internationale Presse den Ukraine-Gipfel mit Trump und Selenskyj bewertet
Washington/Berlin. Der Ukraine-Gipfel in Washington sorgt in der internationalen Presse für unterschiedliche Einschätzungen. Die Schlagzeilen im Überblick:
USA
„Washington Post“: „Ein Abkommen ist möglich. Wenn sich Europäer und Amerikaner dazu verpflichten, Russland in der Ukraine so lange wie möglich – wahrscheinlich so lange Putin an der Macht ist – in Schach zu halten, wäre dies tatsächlich eine willkommene Veränderung. Doch wenn Trump oder irgendein selbstgefälliger westeuropäischer Staatschef beginnt, von einer vorzeitigen Normalisierung der Beziehungen mit Moskau zu träumen, könnte innerhalb weniger Jahre ein Krieg über ein unvorbereitetes Europa hereinbrechen."
Großbritannien
„The Times“: „Nun werden erneut Sicherheitsgarantien für die Ukraine in Betracht gezogen, möglicherweise sogar mit Unterstützung der USA.(…) Doch könnte eine an Artikel 5 des Nato-Vertrags angelehnte Verteidigungsarchitektur, wie sie nun erwogen wird, Kiew wirklich zu Hilfe kommen? Das ist eher unwahrscheinlich: Kollektive Verteidigung erfordert einen Pakt mit einem gemeinsamen Willen und eine übereinstimmende Einschätzung einer Bedrohung. Derweil scheint Putin eine multidimensionale Offensive gegen den Westen zu unternehmen, samt Sabotageaktionen gegen Unterseekabel, Cyberangriffen und Söldnern.“
„Bei allem Vagen und Unklaren lässt sich doch sagen, dass Trump im Falle der Ukraine eine lange komplett eingeschlafene Diplomatie geweckt hat.“
Neue Zürcher Zeitung
Italien
„La Repubblica“: „Nach Anchorage, Washington. Die schwierige Vermittlung von Donald Trump zur Beendigung des Krieges in der Ukraine hat eine zweite Etappe hinter sich gebracht. Es ist gelungen, weitere Spielfiguren auf den Tisch zu bringen, ohne jedoch das Hindernis zu beseitigen, das alles zum Scheitern bringen könnte: die Uneinigkeit über die besetzten Gebiete, die in russischer Hand bleiben sollen.“
Frankreich
„Les Dernièrs Nouvelles D‘Alsace“: „Die Reise dieser Staats- und Regierungschefs nach Washington an der Seite des ukrainischen Staatschefs soll an die Einheit zwischen der Ukraine, Europa und den Vereinigten Staaten erinnern, den Druck auf Moskau aufrechterhalten und die Vorstellung bekräftigen, dass es ohne die Europäer keine Diskussion über die Sicherheit in Europa geben kann.“
Viel Lob statt Rauswurf: So lief der Ukraine-Gipfel in Washington
Mit geballter Kraft wollen europäische Regierungschefs Donald Trump wieder auf einen gemeinsamen Friedenskurs für die Ukraine bringen. Bei einem Treffen im Weißen Haus scheinen sie erste Erfolge zu erzielen. Nun soll es einen Zweiergipfel der Präsidenten Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj geben.
Australien
„Sydney Morning Herald“: „Der ukrainische Präsident ist an den Tatort zurückgekehrt. (...) Beim letzten Mal wurde er von Trump schon von dem Moment an verspottet, als sie sich die Hand gaben. Während des Eklats im Februar hatte Selenskyj noch eine kämpferische Haltung eingenommen. (...) Dieses Mal biss er sich auf die Zunge. (...) Zweifellos besteht weiterhin eine gewisse Spannung zwischen den beiden. Doch ihre zweite Begegnung war von Leichtigkeit durchzogen – und das spielte Selenskyj in die Karten.“
Russland
„Nesawissimaja Gaseta“: „Die westlichen Führer berieten sich vor dem Treffen mit dem US-Präsidenten mit Selenskyj. Wie in der Presse durchsickerte, brachten sie ihm bei, „wie man richtig mit dem US-Präsidenten spricht“, eine gemeinsame Sprache findet, damit sich ein Zusammenstoß wie am 28. Februar nicht wiederholt.
„Ria Nowosti“: „Wird ein Dreiergipfel zu einem Ende der Kampfhandlungen führen? Nein, denn selbst in diesem Fall ist nichts sicher – alle vorläufigen Vereinbarungen zwischen Putin und Trump können im letzten Moment über den Haufen geworfen werden, auch vom dritten Beteiligten des Treffens.“
Norwegen
„Verdens Gang“: „Trump verlagerte die Verhandlungen vor die TV-Kameras. All das, um zu zeigen, dass er der Friedensstifter des Planeten ist. Aber es ist gut, dass Trump all sein Gewicht dafür einsetzt. Das sorgt dafür, dass er – zumindest bislang – nicht das Interesse an der Sache verloren hat.“
Niederlande
„Trouw“: „Die europäischen Staats- und Regierungschefs standen vor der Herkulesaufgabe, zwei Ziele miteinander in Einklang zu bringen, die unvereinbar schienen, nachdem US-Präsident Trump am vergangenen Freitag in Alaska den russischen Präsidenten Putin mit allen Ehren empfangen hatte. Erstens: dafür sorgen, dass die Ukraine nicht vollständig den russischen Löwen zum Fraß vorgeworfen wird. Und zweitens: dies auf so diplomatische Weise bewerkstelligen, dass die Beziehungen zu den Amerikanern nicht noch weiter gestört werden und die transatlantische Partnerschaft intakt bleibt.“
Schweiz
„Neue Zürcher Zeitung“: „Bei allem Vagen und Unklaren lässt sich doch sagen, dass Trump im Falle der Ukraine eine lange komplett eingeschlafene Diplomatie geweckt hat.“
Spanien
„El Mundo“: „Die Erleichterung, die Washingtons Bereitschaft, mit der Ukraine über „Garantien“ zu sprechen, ausgelöst hat, kann nicht über den Preis hinwegtäuschen, den Europa für einen Frieden nach Maß des Kremls zahlen würde: die Konsolidierung einer illegalen Annexion durch Russland, die das Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen untergräbt, und die Legitimierung des Kreuzzugs Putins, den Trump bereits in Alaska aus seiner Isolation und seinem Paria-Status befreit hat, um ihn wieder auf die internationale Bühne zurückzubringen.“
RND/best/dpa