Rücknahme des Gesetzes gefordert

Asylpakt mit Ruanda: Europarat kritisiert Großbritannien scharf

Britische Flaggen wehen in der Nähe des berühmten Uhrturms Big Ben. Der Uhrturm ist Teil des Palace of Westminster, in dem das britische Parlament tagt. Dort wurde der umstrittene Abschiebedeal mit Ruanda beschlossen

Straßburg. Der Europarat hat Großbritannien wegen seines umstrittenen Asylpakts mit Ruanda scharf kritisiert. „Die Regierung des Vereinigten Königreichs sollte von der Abschiebung von Menschen im Rahmen der Ruanda-Politik absehen und die tatsächliche Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit durch das Gesetz rückgängig machen“, sagte der Menschenrechtskommissar des Europarats, Michael O‘Flaherty, am Dienstag in Straßburg. Das Gesetz werfe Fragen zu den Menschenrechten von Asylbewerbern und zur Rechtsstaatlichkeit im Allgemeinen auf.

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Der Entwurf, dem das britische Oberhaus in der Nacht zum Dienstag nach langem Widerstand zustimmte, erklärt Ruanda per Gesetz zum sicheren Drittstaat. Damit will die Regierung Einsprüche vor britischen Gerichten gegen Abschiebungen verhindern.

Der Asylpakt mit Ruanda sieht vor, dass irregulär eingereiste Migranten in Großbritannien keine Gelegenheit mehr zum Antrag auf Asyl erhalten sollen. Sie sollen stattdessen nach Ruanda gebracht werden und dort Asyl beantragen. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen. Mit der Regelung sollen Menschen von der gefährlichen Überfahrt in kleinen Booten über den Ärmelkanal abgehalten werden. Gegner bezweifeln aber, dass das Gesetz Migranten abschrecken wird.

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„Die Verwaltung von Asyl und Migration ist zweifellos ein komplexes Unterfangen für Staaten, aber sie muss stets in voller Übereinstimmung mit internationalen Standards erfolgen“, sagte O'Flaherty.

UNHCR: Gesetz überdenken

Auch die Spitzen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR und des UN-Menschenrechtsbüros haben Großbritannien aufgerufen, das neue Gesetz zu überdenken. Das Gesetz beschränke erheblich die Möglichkeit, sich gegen eine Abschiebung zu wehren – selbst wenn Migranten dabei Risiken ausgesetzt würden, teilten UNHCR-Chef Filippo Grandi und der Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, am Dienstag in Genf mit.

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Die persönlichen Umstände der Betroffenen könnten – anders als nach humanitärem Völkerrecht vorgeschrieben – womöglich vor einer Abschiebung nicht ausreichend geprüft werden. Großbritannien schaffe damit einen gefährlichen Präzedenzfall. Besonders besorgniserregend sei es, dass das Gesetz es der Regierung erlaube, Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu ignorieren.

Der Europarat ist von der EU unabhängig und wurde 1949 zum Schutz von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat in Europa gegründet. Der zum Europarat gehörende Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGRMR) hatte 2022 Großbritannien daran gehindert, Asylsuchende verschiedener Nationalitäten per Flieger nach Ruanda zu schicken, wo sie stattdessen einen Asylantrag stellen sollten.

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RND/dpa