Wie Innenminister Dobrindt den Familiennachzug einschränken will
Berlin. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt drückt aufs Tempo. Gerade mal drei Wochen nach seiner Ernennung hat der CSU-Politiker zwei Gesetzentwürfe eingebracht, die am Mittwoch vom Kabinett beschlossen wurden. Der erste Entwurf soll dafür sorgen, dass der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz für zwei Jahre ausgesetzt wird. Der andere korrigiert das von der Ampelkoalition reformierte Staatsbürgerschaftsrecht. Demnach können besonders gut integrierte Ausländer nicht mehr schon nach drei Jahren einen Antrag stellen, Inländer zu werden – sondern erst nach fünf Jahren. Beide Gesetzentwürfe müssen anschließend im Bundestag verabschiedet werden.
„Von daher heute ein entscheidender Tag bei der Frage der Reduzierung von illegaler Migration und im Kampf gegen die Überforderung der Integrationssysteme, der Aufnahmesysteme“, sagte Dobrindt am Mittwoch. Er erklärte, die fehlende Lösung der Aufgabe Migration habe maßgeblich zur gesellschaftlichen Polarisierung beigetragen. Dem wolle er entgegenwirken.
Das Thema Migration wird auch beim Koalitionsausschuss am Mittwoch eine Rolle spielen, in dem die Spitzen von Union und SPD beraten. Dabei dürfte es jedoch in erster Linie um die verschärften Grenzkontrollen und die Zurückweisung von Menschen gehen, die einen Asylantrag stellen wollen. Dagegen regt sich in Teilen der SPD ein gewisser Unmut.
- Was bedeutet die Einschränkung des Familiennachzugs?
- Wie viele Betroffene gibt es?
- Wie sind die Reaktionen?
- Wie steht es mit dem Zuzug von Flüchtlingen insgesamt?
- Was ist mit dem zweiten Gesetzentwurf zur Staatsbürgerschaft?
Was bedeutet die Einschränkung des Familiennachzugs?
Nicht alle Flüchtlinge haben denselben Schutzstatus. So gibt es anerkannte Asylbewerber. Es gibt Menschen, die aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention Schutz genießen. Dazu gesellen sich wiederum sogenannte subsidiär Schutzberechtigte. Ihnen droht keine Verfolgung aus einem bestimmten Grund. Sie könnten aber zumindest zeitweise dennoch schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sein. Das wurde etwa nach dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien im Jahr 2011 für die meisten Syrer angenommen. Die Aussetzung des Familiennachzugs beschränkt sich allein auf diese Gruppe.
Wie viele Betroffene gibt es?
Seit August 2018 dürfen monatlich insgesamt 1000 Menschen als Angehörige von Menschen mit diesem Schutzstatus einreisen. Das will Dobrindt beenden – wobei Härtefälle ausgenommen werden sollen. „Bisher konnten 1000 Personen pro Monat nach Deutschland nachgezogen werden. Damit ist jetzt Schluss“, sagte er der „Bild“-Zeitung und fügte zur Begründung hinzu: „Wir müssen die Pull-Faktoren (Sog-Faktoren) nach Deutschland deutlich reduzieren. Auch damit zeigen wir, die Migrationspolitik in Deutschland hat sich geändert.“
Wie sind die Reaktionen?
Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Achim Brötel (CDU), lobte das Vorhaben. Die „Migrationswende“ sei überfällig, sagte er. Die Kommunen seien an die Grenzen ihrer Integrationskraft gelangt oder hätten diese Grenzen bereits überschritten. Der Hamburger katholische Erzbischof Stefan Heße sagte den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft hingegen, dass Bürgerkriegsflüchtlinge längere Zeit getrennt von ihren engsten Familienmitgliedern leben müssten, sei ethisch überaus fragwürdig und wirke sich auch negativ auf die Integration aus.
Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Karl Kopp, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Dieses Gesetz hat fatale Auswirkungen auf das Familienleben von subsidiär Geschützten. Familien werden jahrelang getrennt und viele auch zerstört. Damit wird Integration erschwert. Betroffen sind in der Regel vulnerable Gruppen, die entweder in ihren Herkunftsländern bleiben müssen oder sich auf gefährliche, teils tödliche Fluchtrouten begeben.“ Da CDU und CSU immer wieder die Bedeutung der Familien betonten, sei dies „ein ziemlich doppelbödiger, heuchlerischer Akt“.
Dieses Gesetz hat fatale Auswirklungen auf das Familienleben von subsidiär Geschützten.
Karl Kopp
, Geschäftsführer von Pro Asyl
Wie steht es mit dem Zuzug von Flüchtlingen insgesamt?
Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ lebten Ende 2024 rund 3,45 Millionen Flüchtlinge in Deutschland, teils seit Jahrzehnten. Davon kamen 2024 zirka 124.000 neu hinzu. 2023 waren es noch 270.000 neue gewesen und 2022, als Russland seinen Angriff auf die Ukraine begann, sogar 1,2 Millionen. Der Trend ist also rückläufig.
Was ist mit dem zweiten Gesetzentwurf zur Staatsbürgerschaft?
Das Gesetz der Ampel besagt, dass ein Anspruch auf Einbürgerung und damit bei Bedarf auf doppelte Staatsbürgerschaft nach fünf statt bisher acht Jahren besteht – vorausgesetzt, der Antragsteller erfüllt alle Bedingungen. Bei besonderen Integrationsleistungen und ehrenamtlichem Engagement sollen Ausländer bereits nach drei Jahren Deutsche werden können. Der Passus soll wegfallen.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoğlu, sagte dem RND: „Diese Korrektur wird keine großen Auswirkungen haben. Denn sie betrifft nicht sehr viele Menschen. Und diejenigen, die sie betrifft, warten einfach noch zwei Jahre. Trotzdem ist es schade, dass die Reform an dem Punkt zurückgenommen werden soll. Denn die Turbo-Einbürgerung ist eine zusätzliche Motivation, sich ehrenamtlich zu engagieren, etwa beim Roten Kreuz oder bei der Freiwilligen Feuerwehr.“
Er betonte: „Wichtig wäre, dass in den zuständigen Behörden mehr Menschen eingestellt würden, die Einbürgerungsanträge auch bearbeiten können. Denn die Wartzeiten sind zu lang.“ Insgesamt lasse sich der Bundesinnenminister in der Migrationspolitik zu sehr von der AfD treiben.
In manchen Regionen hat die Zahl der Einbürgerungsanträge zuletzt um 50 Prozent zugenommen. Das zeigt: Die Staatsbürgerschaftsreform wirkt.