Enges Rennen

Was die Stichwahl um Polens Präsidentenamt für Deutschland bedeutet

Der Bürgermeister von Warschau und Kandidat der Bürgerlichen Koalition (KO) bei den Präsidentschaftswahlen in Polen, Rafal Trzaskowski (l), spricht während einer TV-Debatte mit seinem nationalkonservativen Konkurrenten Karol Nawrocki.

Vor der Stichwahl um die Präsidentschaft am Sonntag zeigt sich Polen tief gespalten. Die beiden Kandidaten liegen in allen Umfragen fast gleichauf. Hauchdünn ist der Vorsprung von Rafał Trzaskowski (53), dem liberalen Oberbürgermeister von Warschau. Aber auch für seinen nationalkonservativen Konkurrenten Karol Nawrocki (42), einem Historiker und Ex-Boxer mit Unterwelt-Verbindungen, ist noch alles drin.

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Auf den ersten Blick sieht alles aus wie immer in Deutschlands östlichem Nachbarland. Seit 20 Jahren ist die polnische Politik vom unversöhnlichen Gegensatz zwischen der liberalen Bürgerplattform um Premier Donald Tusk und der nationalkonservativen PiS-Partei („Recht und Gerechtigkeit“) von Jaroslaw Kaczynski geprägt. Am vergangenen Sonntag riefen beide Seiten zu Großdemonstrationen in Warschau auf, Trzaskowski zum „Marsch der Patrioten“, Nawrocki zum „Marsch für Polen“. Überall wehten weiß-rote polnische Fahnen. Bei Trzaskowskis Kundgebung war mehr los, was wenig bedeutet, schließlich hat er als langjähriger Chef der Hauptstadt-Verwaltung auch einen Heimvorteil.

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Ein dritter Kandidat gibt den „Königsmacher”

Und dennoch ist dieses Mal etwas anders. Ein dritter Kandidat spielt den Königsmacher: Slawomir Mentzen von der Partei Konfederacja. Der 38-Jährige verbindet rechtsextreme und libertäre Inhalte und ist besonders bei jungen Wählerinnen und Wählern beliebt, die in ihm einen Anti-System-Kandidaten sehen.

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Rund 15 Prozent haben Mentzen in der ersten Runde gewählt. Beide Stichwahl-Kandidaten brauchen seine Wählerschaft für den Sieg. Mentzen lud Nawrocki und Trzaskowski zu getrennten Debatten auf seinem Youtube-Kanal ein und präsentierten ihnen eine Liste mit acht Punkten, die sie unterschreiben sollten. Zwei davon lauteten: Polnische Soldaten sollten nicht in der Ukraine stationiert werden, das Nachbarland dürfe niemals Teil der Nato sein.

Der erfahrene Trzaskowski erarbeitet sich einen Vorteil

Nawrocki unterschrieb alle Punkte und überließ Mentzen die Gesprächsführung. Trzaskowski hingegen stellte den selbst ernannten Königsmacher und zerpflückte dessen Forderungen. Es komme für ihn nicht infrage, die Perspektive eines Nato-Beitritts der Ukraine abzuschreiben, sagte er: „Putin versteht nur die Sprache der Stärke. Wenn die Ukraine keine Sicherheitsgarantien bekommt, sind wir als nächstens dran.“ Für wen Mentzens Wähler nun votieren werden, ist unklar: Nicht wenige von ihnen sind von beiden Parteien des politischen Establishments gleichermaßen enttäuscht und könnten schlicht zu Hause bleiben.

Ebenso souverän agierte er in der Fernseh-Debatte gegen Nawrocki. „Rafał Trzaskowski hat sich in den vergangenen Tagen einen kleinen Vorteil für die Stichwahl erarbeitet“, urteilt Agnieszka Łada-Konefał, Vize-Direktorin des Deutschen Polen-Instituts, im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „In den Debatten aber hat er gezeigt, dass er ein erfahrener Politiker mit großer Expertise ist. Nawrocki war deutlich schwächer, er hat mit ganz platten Slogans gekontert.“

Rafał Trzaskowski hat sich in den vergangenen Tagen einen kleinen Vorteil für die Stichwahl erarbeitet.

Agnieszka Łada-Konefał

, Vize-Direktorin des Deutschen Polen-Instituts

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Die „deutsche Karte“ wird wieder einmal gespielt

Dazu gehört auch, dass Nawrocki die Regierung von Donald Tusk und ihren Präsidentschaftskandidaten Trzaskowski als Erfüllungsgehilfen Deutschlands darstellt, als „Kammerdiener“ (polnisch: „kamerdyner“) von Friedrich Merz in Berlin und Ursula von der Leyen in Brüssel. Zudem erhebt er neue Forderungen nach deutschen Reparationen für die Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg.

„Die ‚deutsche Karte‘ wird in jedem polnischen Wahlkampf von der PiS gespielt, auch dieses Mal wieder“, sagt die Expertin Łada-Konefał. „Deutschland liefert hier auch gerade Munition, mit den Zurückweisungen und Grenzkontrollen. Für Nawrocki ist das ein sehr gutes Thema, um Deutschland und so auch die Bürgerkoalition, die von der PiS als die von Deutschland gesteuerte Partei dargestellt wird, anzugreifen: Auf Deutschland kann man sich nicht verlassen, also man darf Deutschland nicht trauen.“

Beamte der Bundespolizei stehen am frühen Morgen bei der Einreisekontrolle am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke.

Tusk kündigte im polnischen Fernsehen an, dass er bereit sei, die Grenze zu schließen und keine aus Deutschland zurückgewiesenen Migranten mehr aufzunehmen. Diese harte Haltung werde der Premier auch nach dem Wahlkampf beibehalten, vermutet Łada-Konefał.

Dennoch wäre mit einem Sieg des liberalen Trzaskowski ein Neubeginn in den strapazierten deutsch-polnischen Beziehungen möglich. Ein Antrittsbesuch des neuen Präsidenten in Berlin wäre noch im Juni möglich, erwarten Diplomatenkreise.

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Ein Sieg Nawrockis hingegen würde die Beziehungen schwer belasten: „Das würde bedeuten, dass Polen nahtlos wieder in den nächsten Wahlkampf kippen wird – und die Regierung Tusk nicht handlungsfähig wäre“, sagt Łada-Konefał. „Innenpolitisch könnte die Regierung keine richtige Reform durchsetzen und wäre auch außenpolitisch nicht richtig fähig, Entscheidungen zu treffen oder sich zu engagieren.“

Das könnte ausgerechnet Wladimir Putin helfen, sagt die Expertin: „Moskau würde sich freuen, denn aus Polen kämen dann weniger Vorschläge auf der EU-Ebene und weniger mittel- oder langfristige Projekte, da das Land mit sich selbst nicht beschäftigt sein wird.“

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